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Der Hanfkult der Bena Riamba
Expeditionsberichte von Hermann von Wißmann

Eine uralte Gespinstpflanze mit widerlichem, betäubendem Geruch

Der Hanf (Cannabis sativa) ist seit uralten Zeiten eine wichtige Gespinstpflanze. Die Pflanze deren weibliche Exemplare höher und kräftiger als die männlichen werden, stammt aus Mittelasien. Ihr aufrechter, verzweigter Stengel wird etwa mannshoch.

Den grünen Teilen entstrebt ein widerlicher, betäubender Geruch (Schutz gegen Tiere!). Hierauf beruht die Verwendung, die die getrockneten Stengelspitzen im Orient finden. Sie werden als "Haschisch" gekaut oder geraucht, ein Laster, das die Gesundheit meist schnell untergräbt.

Auszug aus: Otto Schmeil - "Lehrbuch der Botanik", 1903


Copyright Grafik: Der Grüne Zweig

Diese paar Sätze aus dem Lehrbuch lassen jeden verstehen, welchen Stellenwert die Pflanze Hanf am Ende des neunzehnten Jahrhunderts hatte: eine Levi's Jeans, gewirkt aus Hanffasern tragen - ja - aber sonst ist das doch der Knaster, der die Leute anders werden läßt. Für gute Leute gehört sich das Rauchen dieser Pflanze nicht, es ist etwas für die Wilden und für die Unterklasse.



Hermann von Wißmann und seine Mitstreiter haben auf ihren Expeditionen in Zentralafrika am Ende des vergangenen Jahrhunderts so einiges erlebt und niedergeschrieben. In den folgenden Absätzen lasse ich den Herrn Offizier als Protagonisten dieser Reisen persönlich zu Worte kommen, indem ich ein paar Zeilen aus seinen Reiseberichten zu bestimmten Aspekten des Hanfgebrauchs bei den Bena Riamba in Zentralafrika als Zitate hier veröffentliche. Der altmodische Stil des preußischen Offiziers von Kaisers Gnaden wird Euch bestimmt hier und da ein wenig zum Schmunzeln bringen.

Viel Spaß dabei, Dr. Igüz.


Eine allgemeine Beobachtung:

Hanf wird im ganzen mir bekannten Afrika, vom Atlantischen bis zum Indischen Ozean, geraucht, allerdings in kleinen Quantitäten. In Uniamwesi, Ost-Kongo, war es 1883 sehr im Zunehmen, ich kenne sogar reine Araber, die sich diesem Laster hingeben, will jedoch auch bemerken, daß die Furchtbarkeit der Wirkung von Reisenden sehr übertrieben worden ist.


Über die Einführung des Hanfkultes in der Region Lubuku, Zentralafrika, heutiges Ost-Kongo heißt es:

Mit Gewalt wurde der von Osten eingeführte Riambacultus , welcher in Sangula Meta, der Schwester Kalamba Mukenges, seine eifrigste Priesterin fand, verbreitet. Sie sowohl als ihr ebenfalls geistig hochstehender Bruder hatten die Überzeugung gewonnen, daß eine Art Staatsreligion das beste Mittel sein würde, um die wilden, zügellosen Baluba, welche bis dahin an keinerlei Ordnung gewöhnt waren, zu vereinigen und zusammenzuhalten. Der Häuptling hat zu Anfang seiner Regierung, 1874, als zu eifriger Hanfraucher, namentlich auf Wunsch der noch strenggläubiger rauchenden Schwester Sangula, in allen Dingen, welche er mit den nichtrauchenden Ungläubigen, den Ischipulumba, gemein hatte, gebrochen. Er hat wirklich beabsichtigt, sich und seine Leute thunlichst mit anderen Speisen zu ernähren. In Folge dessen sind bis 1876, wie Bissera, ein anderer Reisender, angibt, der zu gleicher Zeit hier geweilt hat, in den Kalamba unterthänigen Orten sämmtliche Hausthiere auf seinen Befehl abgeschafft, sämmtliche Bananen- und Ananaspflanzungen usw. zerstört worden. Dieser gut gemeinte Vandalismus ist so weit gegangen, daß in hiesigen Buchwäldern und in der Campine die meisten Palmen abgehauen sind, weil der Genuß von Palmenwein, als Ischipulumbagetränk, verboten, und nur Hirsebier, das Getränk der Kioque, zu genießen erlaubt wurde. Als ich hier ankam, war buchstäblich in der Stadt kein Huhn anzutreffen, nur wenige Tauben, eine Hausthiergattung, welche von den Karawanen der Küste eingeführt wurde, und welche die Ischipulumba nicht besaßen, fanden sich an Hausthieren vor.

Auch die alten Fetische und Zaubermittel wurden auf Befehl Kalambas zerstört und öffentlich verbrannt. An ihre Stelle sollte Riamba (Hanf) als Universalzauber- und Schutzmittel gegen alle Unbilden treten und ein geheiligtes Symbol desFriedens und der Freundschaft werden.

Die Anhänger Kalambas nennen sich daher auch Bena Riamba, d.h. Söhne des Hanfs, und begrüßen sich gegenseuitg mit "moio", was Leben und Gesundheit bedeutet. Das Hanfrauchen ist ihnen zur Pflicht gemacht. Alle Feste werden mit Riambarauchen gefeiert, bei der Riambapfeife, die gewöhnlich aus einem großen Flaschenkürbis angefertigt ist und nicht selten einen Meter Umfang mißt, werden Freundschaftsbündnisse geschlossen und die wichtigsten Geschäfte abgewickelt. Hat jemand sich eines Vergehens schuldig gemacht, so wird er zu einer bestimmten Anzahl Pfeifen Hanf verurtheilt, die er unter Aufsicht oft bis zur Bewußtlosigkeit rauchen muß.

Die Riambapfeife begleitet den Mann auf Reisen und in den Krieg. Ist er ermüdet, abgespannt und hungrig, so genügen einige Züge aus derselben um ihn zu erneuter Thätigkeit anzufachen. An jedem Abend vereinen sich die Männer auf der Kiota, dem Hauptplatze inmitten der Ortschaft, um Hanf zu rauchen, und auch die Stille der Nacht wird gewöhnlich von den spastischen Hustenanfällen eifriger Riambaraucher unangenehm unterbrochen.


Die Einführung des Hanfkultes zog einige von Wißmann beobachtete und festgehaltene Konsequenzen nach sich:

Die Entwickelung des Riambacultus gab den ersten Anstoß zu mächtigen Umwälzungen; einige der bisher in steter Fehde lebende Gemeinden taten sich zusammen, zwangen mit Gewalt benachbarte zur Annahme der neuen Lehre und vertrieben diejenigen, die sich nicht fügen wollten.

Mit Einführung des Riambacultus hatte man alle alten Leute mit weißem oder grauem Haar verjagt, als "Ischipulumba", ein Wort, mit dem man auch die Baschilange, ein Nachbarvolk, bezeichnet, die noch nicht dem Hanfcultus angehören.

Früher Anthropophagen und in beständigen Kriegen miteinander lebend, war mit der Hanfkultur die Aera des Friedens angebrochen. Ein großer Teil unserer Bena Riamba trug nun Stöcke, denn jede Waffe außer dem Gewehr, ist ihnen zu tragen verboten. Ein wunderliches Bild inmitten der wild bemalten und bewaffneten Massen machten diese Leute unserer Begleitung, wie sie vertrauensvoll schwatzend und lachend, den Stock, an dem die mächtige Riambapfeife hängt, über der Schulter, sorglos dahinzogen. Wie die Bena Riamba bemüht sind, alles ihnen von der Civilisation gebrachte anzunehmen, nachzuahmen, ja nachzuäffen, so werden sie sich auch schneller als alle anderen mir bekannten Stämme Afrikas der Civilisation nähern.

Die friedlichen Gesetze und Einrichtungen, die allmählich unter der narkotisierenden Wirkung des Hanfes sich ausbildeten, waren auch dahin gerichtet, das Land Fremdlingen zu öffnen und nicht wie bisher in jedem Fremden einen Feind zu sehen.

Schattenlos, der neuen Vorschrift Kalambas gemäß waren die Dörfer; in der Mitte die stets peinlich rein gefegte Kiota, der Dorfplatz mit den langgestreckten Brennholzhaufen. Um ein jedes Häuschen war ein kleiner Garten angelegt, bepflanzt mit wildem Hanf, Tabak, Zwiebeln, Kürbis, Tomaten und rotem Pfeffer, welch letzterer reichliche Verwendung bei den Gerichten findet.

Sämtliche Haustiere bis auf Tauben waren bei unserer Ankunft in Lubuku dem Hanfraucher zu halten verboten und man war so weit gegangen, daß es selbst verboten war, das Blut der Thiere zu vergießen. Pogge und ich hoben sofort diese für uns höchst unangenehme Bestimmung auf. Schon gleich nach unserer Ankunft wurden die Unterthanen Kalambas auf meine Veranlassung beordert, Hühner und Ziegen anzuschaffen und Bananen usw. zu pflanzen., aber es hält in einem Negerlande schwer und dauert lange, neue Einrichtungen zu schaffen.

So positiv auch immer der Einfluß von Hanf auf die "Wilden" aus preußischer Sicht war, am wichtigsten war ganz offensichtlich, daß die Herrschaften aus Europa die Zustände vorfanden, die ihnen dienlich waren. Da war es ihnen auch egal, die Primärdirektive der Nichteinmischung, zu verletzen und direkten Einfluß auf die Kultur des Volkes zu nehmen.


Beobachtungen über die Wirkung von Cannabis auf das Individuum:

Der Bena Riamba arbeitet nicht, er jagt, fischt, raucht Hanf, schwatzt mit unglaublicher Zungenfertigkeit, trinkt sein Hirsebier, nicht Palmwein, welcher verboten ist, ist aber bei alledem äußerst mäßig. In den fünf Jahren, die ich mit dem Volk arbeitete, sah ich nie einen Trunkenen.

Von schlankem Körperbau, mager und sehnig, ist doch durchschnittlich der Mann als schwach zu bezeichnen, während das Weib, das durch Arbeit mehr gekräftigt und nicht so stark unter dem Einfluß desRiambarauchens steht, auffallend muskulös ist.

Wenn auch das mäßige Rauchen des Hanfes schon vor dem Riambacultus bekannt war, so ist es doch durch denselben zu der rasenden Leidenschaft ausgeartet, ,mit welcher er jetzt betrieben wird und die der Mehrzahl eines hochstehenden Volkes ein frühzeitiges Grab gräbt. Ein eifriger Hanfraucher ist oft bereits in seinen besten Jahren lungenkrank, und Schwindsucht und Lungenentzündung fordert unter den Bena Riamba zahlreiche Opfer.

Die Kunst des Heilens beruhte hauptsächlich auf der Anwendung des Radicalmittels "Riamba", und in Folge dessen stehen die Bena Riamba in dieser Beziehung viel tiefer, als andere Völker, die manches gute Mittel kennen.


Beobachtungen über die Rolle von Cannabis im Alltagsleben:

Von der Hanfpflanze "Riamba" gibt es förmliche, waldähnliche Pflanzungen. Sie wächst 1,8 bis 2,4 Meter hoch und der Stengel wird zwei bis drei Finger dick.

Ein großer Misstand ist der, daß die Männer der Bena Riamba an Arbeit garnicht gewöhnt waren, daß die Frau nur eine Sklavin war und noch ist, die alle Feld- und Hausarbeiten verrichtet, während der Mann nur Zeuge wirkte, die Hütte baute, jagte und vor allem aber Hanf rauchte und mit einer unglaublichen Zungenfertigkeit schwatzte. Im Allgemeinen macht das weibliche Geschlecht, wol infolge des mäßigen Hanfrauchens, einen kräftigeren und gesünderen Eindruck als das männliche. Generell scheint jedoch das Familienleben ein glückliches und zufriedenes zu sein. Überall herrscht Frohsinn und Sorglosigkeit. Doch schwebt stets wie ein Damoklesschwert die Gefahr über dem Haupte der Frauen, Kinder und Sklaven, außer Landes verkauft zu werden. Der Besitzer kann von diesem Recht Gebrauch machen, und die Gier nach Gewehren, Pulver und schönen Sachen treibt ihn leider oft dazu. Ehe er jedoch seine Frau und Kinder verkauft, pflegt er seine moralischen Bedenken, die ihm keineswegs fremd sind, durch starkes Riambarauchen zu ersticken.

Wenn eine angesehene Person stirbt, hat deren ganze Familie Riamba zu rauchen, und zwar in der Kiota, dem Versammlungsplatz des Dorfes, in Gegenwart von Kalamba. Die Hütte, in der Jemand starb, wird verbrannt oder niedergerissen, und die übrigen Häuser gehen, falls der Vater starb, auf die Söhne über. Wenn Jemand stirbt, ist stets ein Fetisch daran schuld, es sei den, daß der Betreffende sehr alt und schwach war, und es wird deshalb ein großes Riambarauchfest der Männer abgehalten.


Hanf als Mittel zur politischen Unterwerfung von Abtrünnigen:

Kalambas Leute hatten die feindlichen Dörfer geplündert und angezündet: sie standen in Flammen und gewährten zwar einen schönen, keineswegs aber einen anheimelnden Anblick. Kalamba kam in unser Lager , um Katende, den besiegten Häuptling, zum Riambarauchen abzuholen. Es war das erste Mal, daß sich die Gegner gegenübertraten. "Jetzt sitzt du hier! Warum hast du meinen Forderungen nicht nachgegeben?" herrschte Kalamba den Unglücklichen an. "Nicht ich bin Schuld daran, sondern meine Familie, meine Weiber, meine Rathgeber!" antwortete Katende. "Weißt du, daß dein Kopf in meiner Gewalt steht, weißt du daß die Dikonga, der machtbeladene Fetisch, in meinen Händen ihre Macht verloren hat?" " Ich weiß es, handle nach deinem Willen; doch bedenke, daß Katende ein mächtiger Häuptling ist und daß seine Söhne jede Schmach, die ihm angethan wird, einst rächen werden! Bedenke, daß ich nicht vor dir stehen würde, wenn du ohne Hülfe der weißen Männer gegen mich gekämpft hättest, und denke daran, daß auch du dereinst einem stärkeren Feinde überliefert werden kannst!" Kalamba hörte mit sichtbarem Misbehagen diese Entgegnungen. "Lasse ihn Riamba rauchen!" wandte er sich an Kakoba, einen Unterhäuptling, und verließ dann in stolzer Haltung die Hütte. Katende aber wurde von Bewaffneten in die Mitte genommen und trat in einen Kreis von etwa zwölf Häuptlingen ein, vor denen er sich verantworten sollte. Er begann seinen Bericht, wie es die Neger lieben, mit einer langen Rede, in der er seine ganze Lebens- und Leidensgeschichte den Anwesenden vor Augen führte. Die Häuptlinge, unter denen sich übrigens Kalamba nicht befand, stellten hierauf verschiedene Fragen an ihn, die er jede umständlich zu beantworten wußte. Zwischendurch mußte er eine Pfeife mit Hanf rauchen. Dieses zwangsweise Rauchen einer sehr starken Riambamischung , sowie das Redestehen auf jede Frage waren eine unbequeme Strafe für den Gefangenen.


Hanf in der Rechtsprechung:

Sehr ausgebildet ist das Gerechtigkeitsgefühl des Bena Riamba. Das Gottesgericht besteht im Rauchen. Der Angeklagte muß so lange an der stets von Neuem von den Umsitzenden gefüllten Riambapfeife ziehen, bis er, bewältigt von der narkotisierenden Wirkung, Geständnisse macht, oder aber niederstürzt. Das Trinken von "Bambu", einem Giftgebräu dem Orakeln dienlich, das oft einen tödlichen Ausgang hat, ist hier verboten.

Kalamba selbst ist der höchste Richter . Alle Streitigkeiten werden durch ihn endgültig entschieden. Leichte und schwere Vergehen werden durch Riambarauchen bestraft. Die Anzahl der Pfeifen wird nach der Höhe der Strafe bemessen und hat in besondern, aber seltenen Fällen den Tod des Verurtheilten zur Folge.

Die Todesstrafe wird durch Verbrennung vollzogen. Der zu Verbrennende wird in sein Haus gesperrt, dieses mit trockenen Gräsern vollgestopft und dann angezündet. Alles lagert sich umher im Kreise, raucht Hanf und schreit, man sagt, um die im Todeskampfe ausgestoßenen Klagerufe bei Verurtheilten zu übertönen: O Mama, o Tatu,"(Ach Mutter, ach Vater), "warum hast du getödtet, siehe, jetzt mußt auch du sterben!" Mord ist das einzige Verbrechen, welches nicht durch Zahlung gesühnt werden kann, obgleich Kalamba auch in solchem Falle stets anderweitig entscheidet und noch nie eine Todesstrafe verhängt hat.

Ist Jemand des Diebstahls angeklagt, so muß er Riamba rauchen und nachher die Versammlung, welche der Verhandlung beiwohnte und ebenfalls mitrauchte, entschädigen. Falls er keine Ziege hat, muß er mit Salz bezahlen, das unter die Versammlung vertheilt wird. Der Bestohlene selbst aber bekommt Nichts, denn er provocierte das Riambarauchen. Diese Strafzahlung heißt "Kiponge", sie erfolgt nur für Raub und Diebstahl. Nach Beendigung der Ceremonie gibt der Bestohlene zum Zeichen, daß der Streit vergessen und die Schuld vergeben ist, dem Dieb "Pemba", Striche mit weißem Ton, als Zeichen der Lebenskraft, auf die Stirn und Brust.

Bei Ehebruchsklagen fällt die Kiponge weg, dann muß der Beschuldigte nur Riamba rauchen. Diese Ceremonie geht dann so vor sich: Der Beschuldigte raucht allein, und ein Mann der Versammlung stopft die Pfeife, während aus einer anderen Pfeife je vier oder fünf der Anwesenden gemeinschaftlich rauchen. Kalamba oder sonst ein Mann, welcher die Ceremonie dirigiert, bestimmt, wie viel Pfeifen der Angeschuldigte rauchen muß. Wenn das Vergehen von Bedeutung war, so läßt man ihn so lange rauchen, bis er bewußtlos wird und umfällt. Dann wird dem betreffenden Individuum regelmäßig übel mitgespielt. Man thut Pfeffer in die Augen oder führt ein schmales Band durch die Nasenscheidewand oder Ähnliches, bis die Verwandten herbeikommen und ihn wegbringen. Ehemals hätten die Verführer von Frauen Strafe zahlen müssen, und im Weigerungsfalle wäre bald Krieg aus solchen Ursachen entstanden und die Uebelthäter wären gefangen worden. Aber Kalamba verhindert jetzt die Bestrafung, da dies gegen die friedliebenden Gesetze des Riambacultus verstoße.

Eine interessante Methode, anhand von Cannabis-Highs die Wahrheit, sofern es eine gibt, herauszufinden. Allerdings scheint eine Rechtsprechung mit Ganja als Lügendetektor, Sanktionsmittel und Strafe nur teilweise angenehm zu sein. Ich jedenfalls hätte keinen Bock darauf, aus einem gigantischen High zu erwachen und plötzlich beispielsweise einen Hühnerknochen als exotisches Piercing in meiner Nase zu haben.


Veränderungen bei Religion und Zauberei durch die Einführung von Hanf:

Die alte Ansicht vor Einführung des Riambadienstes war, daß es ein großes Wesen gebe, welches die Menschen und alles, was ist, geschaffen habe. Dieses Wesen wurde "Fidi Mukulu" genannt. Daneben gibt es Idole und Zaubermittel, aber nicht jedermann besitzt derartige Dinge. Ob ein Gegenstand ein solches Idol oder Zaubermittel ist, kann Niemand vorher bestimmt sagen, das hängt von der Einbildung eines Jeden ab, und die Idole sind nicht für alle die nämlichen, obwohl denselben öffentliche Feste und Tänze gegeben werden. Die Bena Riamba haben den Gebrauch dieser Zaubermittel verworfen, sie rauchen dafür nur Hanf, aber der hierbei gebräuchliche Chor ist eine Reminiscenz an jene ältere Sitte. Kalamba hat den Gebrauch der Zaubermittel verboten und bezeichnet sich selbst als den "Fidi Mukulu".

Ehemals seien die der Zauberei verdächtigen Personen gezwungen worden, den Gifttrank "Bambu", eine Art Orakel, zu trinken, aber Kalamba hat diese Sitte verboten, da sie Anlaß zum Tode vieler Menschen gab, und läßt nur Riamba rauchen.

Alle bösen Menschen werden "Bena mupongo" genannt. Auch die Stelzvögel, besonders Störche und Riesenkraniche, sind den Bena Riamba eigenthümlicherweise als Unglücksboten unheimlich. Kommen diese einzeln oder gar ein Zug derselben in Sicht, so laufen Männer, Frauen und Kinder zusammen, rufen: "Bena mupongo! Bena mupongo!" und blasen dabei in die mächtigen Riambapfeifen, um so durch die Macht des Hanfes den bösen Einfluß der Vögel unschädlich zu machen.


Sangula Meta - die Hanfpriesterin:

Sangula begleitet ihren Bruder Kalamba auf allen seinen Kriegszügen. Das Gefühl der Furcht ist ihr fremd, und sie tritt oft mit einem Büschel grünen Hanfes in der Hand unbewaffnet den Feinden entgegen, um eine drohende Anrede zu halten. Scheint diese keinen Eindruck zu machen, so sucht sie durch heftige Gesten und plötzliches Ablegen ihres einzigen Hüfttuches dem Gegner ihre Verachtung zu zeigen und ihre Krieger zum Kampfe anzufeuern.

Was muß die Schwester schrecklich ausgesehen habe, daß sie ihren nackten Körper als Waffe einsetzen konnte. Andererseits stelle ich mir eine solche Situation recht cool vor: Irgendwelche erregten Afrikaner einerseits, die sich mit einem Haufen von bekifften Artgenossen andererseits klöppen wollen, welche dann ihre Geheimwaffe einsetzen und ein hysterisches Weib, nur mit einem frischen Hanfzweig in der Hand bekleidet zur psychologischen Kriegsführung heranziehen.


Hanf und Blutsbrüderschaft:

Um den Freundschaftsbund zwischen uns zu besiegeln, hatte Kalamba erklärt, mit uns "Kischila" zu trinken, welches zur Blutsbrüderschaft verpflichtet. In Gegenwart der Betheiligten wurde zu diesem Zwecke statt des sonst üblichen Wassers von uns eine halbe Flasche Cognac erwärmt; in diese sollte jeder von uns und Kalamba nach der bestehenden Vorschrift einige Tropfen Blut fallen lassen, als Kalamba Muana, der Sohn Kalambas, plötzlich in einer langen Rede Folgendes erklärte: "Wenn wir gegenseitig nach alter Sitte unser Blut trinken, wird das Volk sagen, wir seien keine Söhne des Riamba mehr, sondern blutrünstig geworden. Das Feuer ist die höchste Macht der Erde, und Riamba das einzige Mittel für Gesundheit und Leben! Wenn wir Kischila nun vom Feuer mit Riamba trinken, so ist dies unverbrüchlich. Wer es dann wagen wird, sein Wort zu brechen, dem wird kein Feuer mehr brennen und leuchten und Riamba nicht mehr helfen. Ohne Feuer kann aber niemand das Eisen bearbeiten, ohne Eisen kann niemand seine Felder bebauen oder ein Haus errichten, ohne Riamba kann kein Mensch auf Erden leben, so muß sich jeder hüten, das Feuer und Riamba durch seinen Wortbruch zu erzürnen!"

Wir gingen gern auf diesen Vorschlag ein, mit dem sich auch Kalamba und Sangula einverstanden erklärten. Letztere als Riambapriesterin streute dann selbst einige Hanfkörner in den kochenden Cognac, von welchem jeder von uns und den anwesenden höchsten Häuptlingen trank. Kalambas Schicksal war nun an das unsrige gekettet.

Da würde sich die heutige Legalize-It-Bewegung ganz schön freuen, wenn sie einen Chefideologen, wie Kalamba-Muana vorweisen könnte. Auch Ganjapabst Jack Herer könnte bestimmt noch das eine oder andere Argument aus dem Urwald Zentralafrikas auf den Weg bekommen, wenn es dort heute noch solche Charakter, wie den Sohn Kalambas gibt.


Eine Beschreibung des Riambatanzes:

Eine besondere Bedeutung hat der Riambatanz, der nicht allein bei allen festlichen Gelegenheiten, auf Kriegszügen, sondern auch fast täglich zur Unterhaltung und um den religiösen Eifer zu zeigen, bis zur Erschöpfung getanzt und bei welchem Hanf geraucht wird. Zur Zeit des Vollmondes wird während der Nacht ebenfalls ein derartiger Festtanz veranstaltet, damit die Feldfrüchte gedeihen mögen. Auch wenn der Häuptling besondere Kriegspläne oder Wünsche hat, läßt er Riamba tanzen.

Zur Feier versammelten sich alsbald die Bena Riamba zu einem Riamba-Fest. Die meisten erschienen mit einer mächtigen Pfeife, einem ausgehölten Kürbis, in dem seitwärts ein thönerner Cylinder als Pfeifenkopf eingesetzt und am oberen Ende ein Mundstück eingeschnitten war. Rings im Kreise um Häuptling Ischingenge, ließen sich die kahlköpfigen, tätowierten , langen, mageren Burschen nieder und begannen, ihre Pfeifen anzuzünden. Bald hüllte grauer, süßlich übelriechender Qualm die wunderliche Gruppe ein, aus der krampfhaftes Husten und Prusten, oder durch die narkotisierende Wirkung des Hanfes eingehende Inspirationen über Freundschaft mit dem weißen Mann erschallten. Vier gut gestimmte Trommeln fielen ein, und die Versammlung erhob eine aus sieben Tönen zusammengesetzte, sich stets wiederholende Melodie. Pfeifen, Klappern und Rasseln, Prusten in das Mundloch der mächtigen Pfeifen und die langgezogenen melancholischen Töne des Elfenbeinhorns vereinigten sich mit dem Gesange zu einem unbeschreiblichen Getöse. Bei einigen war die Wirkung desHanfes schon acut geworden, sie sprangen auf und tanzten mit zurückgeworfenem Kopfe, stieren Blicks, die wiegende, brechende Bewegung der Hüften mit Schwingen der ausgestreckten Arme und ausgespreizten Finger begleitend, oder stampften im Takte mit den Füßen, wild ins Weite stierend, die einförmige, bald einlullende, bald aufjubelnde Melodie singend. Spannend neu war uns dies wunderliche Gelage: das Ohr war betäubt durch den halb melodischen Höllenlärm, aus dem die narkotische Wirkung sprach, das Auge gefesselt von dem stieren Blick und den die Glieder verrenkenden Bewegungen, der Geruchssinn beleidigt durch den anwidernden Dampf.

Inzwischen hat sich das neugierige Publikum versammelt, schön geputzte Kilolo, junge Mädchen, machen die Honneurs und setzen sich zu den Gästen, während eine ansehnliche Weiberschar mit hoch erhobenen Armen und Händen fuchtelnd und convulsivisch den Körper verdrehend, im Kreise rund herumtrippelnd, ihren Tanz aufführte. Ein lebhafter, kräftiger Freudencantus ihrerseits, ein hundeähnliches Geheul oder manchmal ein etwas taktmäßigeres, von den Kioque, einem Nachbarvolk, erlerntes Geschrei begleitet die ballettartigen Kunstproductionen.

Es war ein wirres Durcheinander springender Gestalten; das Auge konnte nicht mit Ruhe ein bestimmtes Bild festhalten, denn wollte man den geschmeidigen Bewegungen des einen folgen, so war er auch schon wieder in der Masse verschwunden. Nichts anderes sah man als das Chaos sich wiegender und beugender Oberkörper und zappelnder Gliedmaßen. Der Tanz fesselte durch den Masseneindruck, nicht durch die Geschicklichkeit der einzelnen Tänzer. Während die erhobenen Arme sich fernwährend flatternd bewegen, werden Oberschenkel- und Unterleibsmuskeln so in Thätigkeit versetzt, daß An- und Abspannung derselben unmittelbar ineinander überzugehen scheinen. In den unermüdlichen Bewegungen, die besonders bei dem weiblichen Geschlecht eine erstaunliche Gelenkigkeit und Biegsamkeit in Lenden und Wirbelsäule zeigten, lag eine unverkennbare, wilde Leidenschaft, die weder durch die drückende Hitze noch den herabtriefenden Schweiß gemildert werden konnte. Der Tanz schien auf die Leute gar nicht ermüdend zu wirken, im Gegentheil, die Tänzer wurden lebhafter und lebhafter und die allgemeine Aufregung theilte sich auch den am Tanze nicht beteiligten Zuschauern mit.


Wie von Wißmann zum kiffenden Offizier seiner Kaiserlichen Majestät wurde und den ersten Drogenskandal in der Preußischen Armee verursachte:

Bei meiner Ankunft in "Lubuku", dem Land der Freundschaft, begrüßte mich Sangula Meta, die Schwester Kalambas und Kalamba Mwana, der Thronfolger. Erstere ist Priesterin des Hanfes . Ihre Bewillkommnung bestand darin, daß sie mir Stirn und Hände mit Hanfasche einrieb und mir dann mit weißem Thon, Pemba genannt, einen Strich auf den Rock machte. Kassongo, der Neffe Kalambas, erschien mit neun seiner festlich geschmückten Weiber, um mich seiner Freundschaft durch ein großes Hanfrauchen zu versichern.Die jungen, zum Theil recht hübschen Mädchen brachten eine große Pfeife herbei, die im Kreise herumging, und aus der jeder einige Züge thun mußte; auch mein Bruder und ich waren genöthigt, uns hierbei zu betheiligen, obwohl es gerade keine Annehmlichkeit war, mit der ganzen schwarzen Sippschaft dieselbe Pfeife zu benutzen.

Kalamba hatte in der Nacht einen beunruhigenden Traum, den er seinen Leuten sofort kundgab. Er habe sich von den Weißen geschlagen und mishandelt gesehen, ja man habe ihn in der Stadt der Weißen in Ketten gefangen gehalten, doch könne dies nicht wahr sein, da er doch unser Freund und Blutsbruder sei, sein Traum werde wol gelogen haben! Er beruhigte sich übrigens erst, nachdem Wißmann mit ihm Hanf geraucht hatte.

Was uns Kaiser Willi der Zweite als oberster Dienstherr wohl derzeit gesagt hat? Entweder ist er mit Hermann auf den Balkon getreten und hat mit ihm gut etwas von diesem Mordszeug durchgezogen, oder von Wißmann hat schon ungefähr hundert Jahre vor Fleischpralinen-Billie-Boy eine Aussage gemacht, die unter die größten Sätze dieses Millenniums eingereiht werden wird: "Ja, ich habe daran gezogen, aber ich habe das Zeug nicht inhaliert."


Briefe Kalamba Mukenges an Kaiser Wilhelm II, König von Preußen und Kaiser von Deutschland:

Folgende zwei Briefe von Kalamba, in denen nicht ein einziges Wort ihm in den Mund gelegt worden ist, will ich hier wiedergeben:

Muene kum maji Kallungo kabatu bosso (d.i.: Großer aus dem Wasser, Beherrscher aller Völker)

Schicke uns hierher ein Mittel, damit meine Leute nicht sterben, und viele Waffen mit zwei Rohren und von hinten zu laden, Pistolen und Revolver. Darauf bin ich bereit, Deine Söhne zu begleiten, wohin sie wollen. Auch eine Figur von der Größe eines Mannes und einen Anzug, einen Helm mit Federbusch, einen Wedel, eine große Musikdose, einen großen Spiegel und Alles, was schön ist und noch nie in mein Land kam, damit alle meine Kilolo und meine Anhänger in meine Stadt kommen, um die Sachen zu sehen. Auch eine Uniform sende mir. Bereit bin ich, Deine Söhne zu begleiten auf jeder Reise, die sie wünschen. Ich bin Dein großer Diener und wünsche große Freundschaft fortzusetzen. Schicke mir große Raketen.

Kalamba Mukenge

Kinglesch.

Bringe Pulver und viele Gewehre, schöne Zeuge. Auch Deine Weiber bringe mit, um hier ganz zu bleiben, Deine Begleiter (Söhne), da wir sie alle lieben. Und glaube mir auch, daß das Gehöft Kassongos (Wißmanns) gesichert ist. Essoll nicht verändert werden. Wenn Du reisen willst mit mir, bin ich bereit, Dich zu begleiten. Wenn Du nicht reisen willst, bleiben wir hier. Ich will Dich gut behandeln mit Deinen Söhnen, die Du mitbringst.

Kalamba Mukenge


Ja, der alte Hanf. Offensichtlich hat der Kult um die Pflanze in derRegion Lubuku, dem Land der Freundschaft , die hundert Jahre von Wissmanns Reisen bis heute überlebt, erstaunlich, aber wahr und sehr erfreulich. In dem 1992 erschienenen Buch "Pflanzen der Götter" schreibt das Autorenteam Schultes und Hoffmann:


Die kongolesischen Kassaistämme haben einen alten Riambakult zu neuem Leben erweckt, der den Hanf - anstelle der alten Fetische und Symbole - zum Gott und Beschützer vor körperlichem und geistigem Unheil erhob. Vereinbarungen werden mit Rauchwölkchen aus Wasserkürbispfeifen besiegelt. Das Rauchen von Hanf und das Schnupfen von Haschisch sind in kultischer Form in manchen Gebieten Ostafrikas, vor allem in der Nähe des Viktoriasees, üblich.



Und aus eigener Erfahrung von meinen Reisen in Afrika kann ich berichten, daß es bis heute noch Hanfkulte in der Region gibt. Aber bevor ich regional detailliert in dieSituation von Cannabis im heutigen Afrika einsteige, möchte ich Euch einen allgemeinen Eindruck über die Pflanze im afrikanischen Kontinent vermitteln. Darüber wird der Doktor in der kommenden Ausgabe von RootZ berichten.


Copyright Dr. Igüz 1999