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Deutscher Richter Neskovic zur Schweizer Drogenpolitik
„Vernunft statt Ideologie“ - Interview mit W. Neskovic

Wolfgang Neskovic (52) ist Vorsitzender Richter am Landgericht in Lübeck. Er wurde bekannt durch seinen Vorlagebeschluss zum Bundesverfassungsgericht, durch den die Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten gelockert wurde.

Herr Neskovic, die Schweiz plant einen liberaleren Umgang mit Cannabis-Produkten. Ist das auch in Deutschland denkbar?

Neskovic: Ich hoffe ja. Die bisherige Drogenpolitik in Deutschland ist durch Unvernunft und durch Unkenntnis über die Wirkungsweisen von Dogensubstanzen gekennzeichnet. Der Weg, den die Schweizer beschreiten, ist ebenso wie der Weg der Holländer von Vernunft gekennzeichnet.

Ist aber angesichts zunehmender Suchtgefahren in unserer Gesellschaft Liberalisierung nicht eher ein falsches Signal?

Neskovic: Nein. Wer eine andere Drogenpolitik betreibt als die gegenwärtige, minimiert Schäden. Dass Suchtprobleme nicht über Kriminalisierung zu lösen sind, ist eigentlich für jeden, der sich mit der Problematik beschäftigt, offensichtlich. Eine Kriminalisierung fügt nur noch weitere Probleme hinzu. Zudem werden Justiz und Polizei instrumentalisiert und Ressourcen, die wir in der allgemeinen Verbrechensbekämpfung gebrauchen, unnötig verschwendet.

Was würde sich denn konkret ändern, was würde sich verbessern?

Neskovic: Der politische Ansatz würde sich grundlegend verändern. Suchtprobleme sind der Gesundheits- und nicht der Kriminalpolitik zuzuordnen. Fließen die finanziellen Mittel, die bislang Polizei und Justiz in Anspruch genommen haben, in die Prävention und Therapie, so wird den betroffenen Menschen am wirksamsten geholfen.

Was ist in der Schweiz andere als bei uns, dass sie diesen Weg in der Drogenpolitik beschreitet?

Neskovic: Die Schweizer vergleichen, die Schadensfolgen, die die Kriminalisierung erreicht, mit den Folgen, die eintreten, wenn dies nicht stattfindet. Da kann man in einem simplen Rechenprozess feststellen, dass die Vorteile einer Nicht-Kriminalisierung unzweifelhaft überwiegen.

Ist Ihr Vorwurf einer rückschrittlichen deutschen Drogenpolitik nicht übertrieben? Wenn man sich andere Bereiche anschaut wie Methadonvergabe, Fixerstuben, Modellprojekte zur kontrollierten Heroin-Abgabe...

Neskovic: ...dann sind das alles begrüßenswerte Schadensminimierungsprogramme, die  aus der Vernunft statt aus der Ideologie geboren sind, weil festgestellt worden ist, dass mit einer solchen akzeptierenden Drogenpolitik den Menschen stärker geholfen wird als über die Kriminalisierung. Es hat jedoch viel zu lange gedauert, solche Programme politisch durchzusetzen. Die Kriminalisierung ist ein Armutszeugnis und letztlich der Offenbarungseid jeder staatlichen Sucht- und Drogenpolitik.

Warum, glauben Sie, ist der Konsum von Cannabis-Produkten hier noch verboten?

Neskovic: Ich glaube, es ist einerseits der Druck des Auslands, insbesondere Amerikas. Andererseits ist das ein Bereich, in dem sich insbesondere konservative Politik verwirklichen kann. Verbote lassen sich angesichts von Informationsdefiziten in der Bevölkerung immer noch gut verkaufen als Maßnahme, die Betroffenen nutzen soll.

Wann werden in Deutschland Cannabis-Besitz und –Konsum legalisiert?

Neskovic: Die Deutschen sind oft preußisch unvernünftig, also auch besonders hartnäckig. Ich habe nach Jahren intensiver Diskussion um eine andere Drogenpolitik festgestellt, dass dieses Beharrungsvermögen sehr ausgeprägt ist. Trotzdem gehe ich davon aus, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre eine weitere Entkriminalisierung gerade bei den Cannabis-Produkten stattfinden wird.

Interview: Thomas Geisen

KStA, 23/04/01


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