Interview mit Style Scott, Gründer und Kopf von Dub Syndicate Köln, Summer Jam 4. Juli 1998

Interview mit Style Scott, Gründer
und Kopf von Dub Syndicate

Köln, Summer Jam 4. Juli
1998

RootZ: Okay,
dies ist ein Interview zwischen Style Scott und IRIE, dem Reggaemagazin.
Wie geht es Dir, Style?

Style Scott: Grüße!

RootZ: Du hast gerade zwei Alben fertigggestellt, nämlich “Fear
of a Green Planet” und Mellow and Colly”. Ein Album wurde von Scientist,
das andere von Adrian Sherwood abgemischt. Erzähl uns ein bißchen
darüber.

Style Scott: Erstmal möchte ich sagen, daß ich mich nicht
auf die zwei Alben beschränken möchte. Ja, ich habe alles für
diese zwei Albern gegeben, aber das war auch schon bei den früheren
Produktionen immer der Fall, weißt Du, von “Stoned Immaculate” oder
Lee Perry’s “Boom Devil Dead” bis zu “Secret Laboratory”. All diese Alben
wurden in Jamaika aufgenommen, dann habe ich sie nach London mitgenommen,
wo wir den Tracks den Endschliff gegeben haben und die technoiden Ideen
von Adrian Sherwood und mir umgesetzt haben. Dabei gibt jeder ein bißchen
von sich selbst, Talvin Singh ist dabei, es war alles mehr oder weniger
wie eine Familienproduktion. Und ich möchte nicht, daß der Eindruck
entsteht, daß ich die letzten zwei Alben gemacht habe und der Rest
davor ist das Werk von Mr. Sherwood. Adrian Sherwood und ich arbeiten seit
den frühen Achtziger Jahren als Partner zusammen und es ist nicht
so, als wenn ich als Künstler für On-U Sound arbeiten würde.
Ich bin kein “Künstler” in dem Sinne, ich bin ein Musiker, der eine
Partnerschaft mit seinen “Fellow Bredrens” hat, die so viel Enthusiasmus
für diese Musik besitzen, voll damit sind. Um zu den zwei aktuellen
Alben zurückzukommen, da wurde eine Menge harte Arbeit reingesteckt,
um diesen “Level” zu erreichen. Über die Idee einer Doppelveröfffentlichung
sprechen Adrian Sherwood und ich seit der vorhergehenden Veröffentlichung
“Ital Breakfast”. Zu jener Zeit gab es eine Menge Probleme in der Musikindustrie
, es wurden nicht viele Tonträger verkauft, es war mehr oder weniger
wie eine Rezession., die das “Bizness” durchlebte. Wie ich sagte, wir machen
moderne Musik, jeden Tag und jede Minute versuchen wir, neue Grenzen zu
setzen und mit neuen Ideen zu kommen, um dadurch mehr Tonträger zu
verkaufen. Das ist der Grund, warum On-U Sound noch als Firma existiert.
Anfangs arbeiteten wir aus einem Wohnhaus heraus, aber Adrian fand es nicht
besonders angenehm, die Musik und das Studio und die Familie zu vermischen.
Darum haben wir das Business in ein besser passendes Gebäude ausgelagert.
Wir hatten auch das Studio und andere Dinge dort und plötzlich stiegen
die Gesamtkosten immens. Und all das, sowie auch die Steuern wollen bezahlt
werden. Also mußten wir, wie ich schon sagte, mehr Platten verkaufen.
Und als dann “Ital Breakfast” nicht besonders gut lief und Adrian der Meinung
war, daß es On-U Sound insgesamt nicht besonders gut geht, kamen
wir ins Grübeln. Adrian hatte so viele Leute um sich herum, da sind
Skip McDonald von “Little Axe”, Tackhead und Little Annie, Bim Sherman,
da ist African Head Charge und wer noch alles. Und jeder sagte zu Adrian,
daß die Firma nicht genug Tonträger verkauft. Und dann gab es
da noch zwei Mädchen, die ihr Bestes gaben, um die Verkaufszahlen
für die Firma zu erhöhen. Melissa und Tishi sind auch gegangen.
Und die Leute, die diese Jobs übernommen haben, wußten nicht
viel darüber, wie eine Firma geführt wird. Weißt Du, dadurch
kam es zur Einschränkung der Produktion und Adrian begann mehr, sich
um das Remixen verschiedenster Bands zu kümmern. Das bringt mehr Einkünfte
und man fühlt sich “happier” und freier. Und ich habe meine Firma
“Lion and Roots” stärker in den Vordergrund gestellt. Die Dienste
dieser Firma bestehen schon seit Langem und ich wollte sie nutzen.

RootZ: Du hast die Firma einfach mehr in den Mittelpunkt gerückt?

Style Scott: Genau. Und das ist jetzt passiert, damit die Leute die
Firma besser wahrnehmen können. Dadurch, daß ich die zwei letzten
Alben über Lion and Roots veröffentlicht habe, gebe ich der Firma
ein gutes Image. Ich meine, wenn man etwas machen möchte, muß
man es gut machen und ich denke, daß ich mit diesen zwei Alben einen
sehr guten Job gemacht und eine Menge Arbeit reingesteckt habe. Ich habe
eine Menge Leute in das Projekt involviert, um den Alben dieses zeitgemäße
Feeling zu geben.

I. : Welche Rolle spielt der Remixer für Dich?

Style Scott: Ja, Adrian hat “Fear of a Green Planet” gemischt, ein
Album über Dub. Adrian hat das eine Album gemixt, und Scientist hat
“Mellow and Colley” gemixt. Die ganze Idee dahinter ist, daß “Mellow
and Colley” von der mehr traditionellen Perspektive des Dub aufgenommen
ist und “Fear of a Green Planet” aus der moderneren Sicht. Dies gibt den
beiden Alben unterschiedliche Charakteristika. Für mich war es sehr
wichtig, daß Scientist “Mellow and Colley” mixt, weil er viel mehr
über den King-Tubby-Feel weiß. Denn er hat mit Tubby gearbeitet
und deswegen habe ich Scientist für dieses Album und Adrian Sherwood
für das andere Album genommen.

RootZ: Ist das der Scientist, der aus King Tubby’s Schule stammt?

Style Scott: Genau der Scientist aus King Tubby’s Schule. Er lebt
jetzt in Washington D.C. und ich mußte erst ‘mal dahinfahren und
ihn ausfindig machen, bevor er die Mixe produzieren konnte.

RootZ: Welches Projekt hast Du mehr genossen, welches war einfacher
für Dich, das mit Adrian oder das mit Scientist? Erzähl uns ein
bißchen darüber.

Style Scott: Tja, um ehrlich zu sein, das ist eine wirklich gute
Frage, die Du da gestellt hast. Es war einfacher und wird immer einfacher
sein, mit Leuten, wie Adrian Sherwood zu arbeiten. Er ist voll mit seinem
Kopf dabei. Er ist innovativ, er denkt immer voraus. Und Scientist, natürlich
ist er noch präsent, aber, wie viele Musiker aus Jamaika, gilt auch
für ihn, daß diese Leute durch schwierige und wechselhafte Zeiten
gehen. Das zwingt die Musiker manchmal, die aktuellen Projekte über
den Haufen zu werfen und sich zu verändern. Um zu überleben muß
man andere Sachen machen und genau das ist, was Scientist passiert ist,
nehme ich an: Leben in Amerika an Orten, wie Washington D.C., wo nicht
gerade viel Reggae-Leben stattfindet.

RootZ: Er ist frustriert.

Style Scott: Es muß Frustration und so etwas sein, er war nicht
mehr tief in der Szene und hat viel Mainstreamzeug gemixt. Er hat viel
mit elektronischen Sounds gearbeitet und Sounds für die Werbebranche
produziert. Er liebt diese Art von Produktionen. Und er hat als eine Art
Schreiner gearbeitet. Ich mußte immer zu ihm kommen und ihn aus seinen
Holzarbeiten rausholen und ihn wieder aktivieren und so weiter. Glaub mir,
in dieses Album ist eine Menge Arbeit geflossen, weißt Du.

RootZ: Und dann hast Du Scientist mit nach Jamaika genommen oder
habt ihr direkt in Washington angefangen zu arbeiten?

Style Scott: Nei, die ganze Arbeit hat in Jamaika begonnen. Dann
habe ich die Insel verlassen und bin nach New York geflogen, um dort für
sechs Monate zu bleiben. Von dort ging es nach Washington D.C., um Scientist
aufzutreiben. Als ich ihn gefunden habe, bin ich ungefähr noch eine
Woche geblieben, um den Mix zu machen, bin mit den Tapes wieder nach New
York und von dort nach New Jersey, wo die Greenpoint Studios gerade hingezogen
waren. Bill Laswell’s Studio war in Greenpoint, Brooklyn, aber es wurde
nach New Jersey verlegt. Darum bin ich zwischen New York und Jersey gependelt,
um all die anstehende Arbeit zu erledigen, dann bin ich wieder nach New
York zurück, um von dort aus nach London zu reisen. Glaub mir, das
war Arbeit.

RootZ: Und immer die Dubs im Gepäck?

Style Scott: Genau, immer die Dubs im Gepäck, gut ausgedrückt.

RootZ: Okay, was können wir als nächstes von Dir erwarten?
Hast Du schon Pläne? Vielleicht Ferien machen?

Style Scott: Nein, nein. Nun, laßt uns keine Witze machen!
Weißt Du, was ich liebe, ist die Musik, sie ist ein Teil meines Lebens,
meines Alltagslebens. Man denkt, man lebt, man schläft, man ißt
die Musik. Ich meine, man ruht sich nicht aus, es gibt keine Zeit, um sich
einfach nur hinzusetzen. Was mich betrifft, ich gehe jetzt nach Beendigung
dieser Tour nach New York. Ich muß Vorbereitungen für das kommende
Jahr treffen. Dann muß ich zurück nach Jamaika, denn dort gibt
es eine Menge Musiker und andere Leute, die auf meine Arbeit warten. Ich
muß dort ein paar Tracks einspielen oder produzieren oder so etwas.
Man kann es also nicht als rumsitzen bezeichnen. Vielleicht nehme ich mir
eine Woche, um in Montego Bay oder Negril etwas zu relaxen . Dazu kommt,
daß ich auf Jamaika Familie habe , es ist alles nicht so leicht,
es gibt eine Menge Dinge, die bedacht werden müssen, besonders die
Familie, die Kids, die zur Schule gehen müssen und alle diese Sachen.

RootZ: Deine Wurzeln sind also definitiv noch in Jamaika?

Style Scott: Ja, natürlich. Aber, wie ich schon sagte, verbringe
ich ungefähr vier Monate des Jahres außerhalb Jamaikas, in New
York und London. Aber das ist nichts regelmäßiges. Wenn nicht
viel in London passiert, hat es auch keinen Sinn dorthin zu fahren, weil
es ein sehr teueres Pflaster ist.

RootZ: Wieviele Wochen im Jahr bist Du auf Tour?

Style Scott: Wenn über das Touren gesprochen wird, muß
ich sagen, daß ich nicht mehr viel auf Tournee bin. Die jetzige kommt
nach zwei Jahren Pause. Das letzte Mal, das wir nach Europa kamen, ist
zwei Jahre her, aber entweder nach einem oder zwei Jahren haben wir ein
neues Album, das wir vorstellen. Im Allgemeinen touren wir nicht viel,
Du mußt das verstehen, es ist nicht so, wie die Studioarbeit. Alleine
kann man nicht auf Tour gehen, ich brauche andere Leute, meine Musiker.
Und diese Leute sind erwachsene Menschen. Du bist alt genug, Dir vorstellen
zu können, wie das ist, vier oder fünf Leute im Schlepptau zu
haben. Deshalb ist das so harte Arbeit und sie wird noch härter durch
das Faktum, daß die Musiker mit ihren Gagen nicht genug verdienen
und nach weiteren Jobs gucken müssen. Wenn eine Tour geplant ist,
muß ich mir immer wieder Musiker zusammensuchen. Das sind die Dinge,
die ich beachten muß: will ich in Zukunft eine Tournee machen, will
ich ein Label gründen, will ich bei einem Label unter Vertrag gehen?
Weißt Du, etwas, durch das ich mehr Unterstützung bekomme und
die Musiker besser zusammenhalten kann. Ich denke, das ist eine ganze Menge,
die erledigt werden muß. Das Touren kostet nicht besonders viel Zeit
und wenn ich toure, dann auch richtig. Ich habe gerade neun Wochen hinter
mir, plus fünf Wochen in Amerika, das macht vierzehn. Wir haben dieses
Mal eine sehr gute Tour hinter uns und ich lote Möglichkeiten aus,
im November nach Frankreich zu gehen. Wir haben dort eine Show im “Canal
Plus” gehabt, die sehr gut ankam und unsere Show in Paris war ausverkauft.
Im Augenblick kontaktiere ich die Leute, die uns nach Frankreich holen
wollen, denn Dub Syndicate hat dort eine große Posse, dank unserer
Musik und der Arbeit von EFA Medien, meiner dortigen und hiesigen Plattenfirma.
Ich freue mich schon darauf, im November dorthin zu fahren , aber sonst
mache ich keine großen Pläne, ich weiß ja nicht, was alles
so passieren kann, ich warte einfach auf den Anruf.

RootZ: Was spielst Du heute?

Style Scott: Das heutige Programm? Wir werden ein paar Tracks von
den neuen Alben spielen und ein paar alte Sachen.

RootZ: Und welche Musiker?

Style Scott: Wir haben Bagga am Bass, er hat schon mit Leuten, wie
Jimmy Cliff und Freddy McGregor gespielt. An der Gitarre haben wir Vince
Black, bekannt von Black Uhuru und es gibt Earl Fitzsimmons am Piano, der
bei den Wailers und den Roots Radics war und natürlich mich an den
Drums, Radics und alles Mögliche andere.

RootZ: Style, danke für das Gespräch und guten Heimflug.


Copyright: Holger Retzlaff / Dr. Igüz
1998

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