Interview mit Sugar Minott Würzburg, Januar 1998


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Interview mit Sugar Minott Würzburg,
Januar 1998

Einer
der größten Reggaemusiker besuchte uns zur kältesten Jahreszeit
in Deutschland. Mit einem Soundsystem unterm Arm kam er in mehrere deutsche
Städte, und ich traf ihn im Würzburger Boombastic. Die Reggaeposse
war im Sugar-Minott-Dancehall-Fieber und wie auf Jamaica wurde geshoutet
“Rewind, Rewind” und “Pram, Pram”, Action war angesagt,
und das folgende Interview wurde zu einer Bereicherung in meinem Leben.
Dieser Mann hat schon so viel auf die Füße gestellt, heiser
war er und zwang sich jedes Wort trotzdem klar und deutlich für uns
heraus.

RootZ: Sugar, willkommen in Deutschland. Wir haben uns leider sehr
über die Absage der Tour in Deutschland im Dezember 1997 gelitten.
Hast Du eine Idee, warum sie nicht stattgefunden hat?

Sugar Minott: Ja, zu diesem Zeitpunkt war Capleton in England unterwegs
und es hat ein paar Schießereien gegeben. Die Promoter haben aus
Sicherheitsgründen die ganze Europatour mit mir, Frankie Paul und
Marcia Griffiths abgesagt. Es hatte nichts mit mir persönlich zu tun.

RootZ: Du bist Jamaikaner, lebst Du auch auf Jamaika?

Sugar Minott: Ja, natürlich, aber ich arbeite auch sehr viel
in New York.

RootZ: Wie alt bist Du?

Sugar Minott: Ich? Ich bin über vierzig. Eigentlich mag ich
es nicht, daß die Öffentlichkeit mein Alter kennt. Man sagt
immer, ich sei schon über zwanzig Jahre im Geschäft und das hört
sich älter an, als ich bin. Man vergißt, daß ich schon
als Kind angefangen habe, Musik zu machen.

RootZ: Bist Du verheiratet?

Sugar Minott: Ja, ich bin ein Familienmensch. Ich bin verheiratet
und ich habe sieben Töchter und sieben Söhne. Alle sind noch
auf Jamaika und das finde ich gut so.

RootZ: Du bist im Mai geboren, das heißt Du bist ein Zwilling.
Was denkst Du über Horoskope, glaubst Du daran?

Sugar Minott: Ich bin nicht ganz sicher, aber man kann oder sollte
darüber nachdenken. Ich lese es schon. Wenn es so kommen sollte, wird
der Glaube daran natürlich stärker.

RootZ: Ich habe gelesen, Dein Spitzname ist “Lovers-Rock-Don”
und Du singst gerne Liebeslieder. Wie kommt das?

Sugar Minott: 1979 war ich unterwegs mit Black-Roots-Production und
in der Zeit war das noch ein sensationell neuer Stil. Stell Dir vor, das
war noch bevor Gregory Isaacs mit seinem heute berühmten Stil in den
Hitlisten war. Also wir haben damals damit angefangen. Allerdings wenn
Du nach Jamaika kommst, dort nennt man mich den Dancehall-King. Das soll
nun grundsätzlich heißen, ich bin nicht festgefahren. Ich mache
Lovers-Rock, genauso wie Dancehall und auch dem Roots bin ich eng verbunden.
Sugar-Minott-Musik heißt, daß alles beinhaltet ist. Ich habe
mich auf nichts spezialisiert.

RootZ: Du hast in England gelebt. Warum bist Du zurück in Dein
Heimatland gegangen?

Sugar Minott: Ich war nicht lange in England. Ich war dort, um mit
Musikern und mit dem englischen Musikgeschäft zusammen zu arbeiten.
Es war mir auch wichtig, diese andere Kultur kennenzulernen. Es hat mir
ein anderes Bild gegeben als nur von Jamaika aus zu agieren.

RootZ: Du hast so viele Höhen und Tiefen in Deiner Karriere erlebt
und hast trotzdem immer Tophits produziert. Woher hast Du die Energie?

Sugar Minott: Die Tiefen und die dementsprechenden Überlebenswege
habe ich im Getto in Kingston schon früh gelernt. Das gibt einem natürlich
viele Inspirationen für Texte. Finanziell, politisch und auch gesellschaftlich
unlösbare Probleme können nur in der Musik friedlich bekämpft
werden. Dieses ist sowieso der Grundgedanke des Reggae.

RootZ: Man sagt, Du schreibst Deine Texte eben mal so nebenher, ist
das wahr?

Sugar (lachend): Ja, das stimmt. Ich kann in kein Studio gehen, und
dann fängt das Texten an. Es muß aus dem Herzen kommen und das
geht nicht in einem Studio. Ich schreibe meine Texte mit dem Hintergrund,
daß meine Hörer meine Musik akzeptieren und lieben, genauso
wie ich sie lieben muß.

RootZ: Du betreust sehr viele Jugendliche und bringst ihnen ein Instrument
bei oder Du läßt sie singen. Was ist der Grund?

Sugar Minott: Auf Jamaika hast Du nicht viele Möglichkeiten.
Studio One hat es in den Siebziger Jahren gemacht und eine Vielzahl von
hervorragenden Musikern hervorgebracht. Meine Institution heißt “Youthman
Promotion” und aus meiner Schule sind Namen hervorgegangen wie Yami
Bolo und auch der leider so früh verstorbene Garnett Silk. Hunderte
von Talenten klopfen an meine Tür, und ich versuche sie so zu fördern
wie es eben in meiner Macht steht. Das heißt auch, daß ich
sehr viel Verantwortung übernommen habe. Ich mache es gern, und es
ist meine Lebensaufgabe geworden. Viele andere, wie Freddie McGregor helfen
bei der Startphase dieser wundervollen Stimmen und Musiker mit, später
sind sie dann auf sich allein gestellt und machen ihren eigenen Weg.

RootZ: Was für eine wundervolle Idee, Respekt Sugar, in einem
Song singst Du “Have you ever found a man like me, girl?”. Nun
eine lustig gestellte Frage: Bist Du ein Macho?

Sugar Minott: Ein Macho, nein, ich bin ein schüchterner Mann
und eigentlich bin ich nur stark, wenn ich auf die Bühne gehe. Doch
die Mädels denken dann immer, daß ich einer wäre.

RootZ: Gibt es von Dir demnächst mal wieder was Neues? Du bist
ja einer der fleißigsten Produzenten mit zwischenzeitlich über
achthundert Titeln.

Sugar Minott: Ja, Black Roots und auch Youthman Promotion hat bald
wieder etliche Tracks fertig und dann kriegt ihr wieder was serviert.

RootZ: Wirst Du auf dem jamaikanischen Sunsplash vertreten sein?

Sugar Minott: Ich hoffe es, das kommt noch auf verschiedene Dinge
an.

RootZ: Hast Du noch Lampenfieber?

Sugar Minott: Die Bühne ist mein Arbeitsplatz und mein Territorium.
Also kein Problem. Ich gestehe allerdings, je länger ich Backstage
auf meinen Auftritt warten muß, um so nervöser werde ich.

RootZ: Wie siehst Du das Reggaebusiness in der heutigen Zeit?

Sugar Minott: Es ist eine Art von Frustration, die sich breit macht.
Nicht nur bei mir, allen geht es so. Ich habe eigentlich mehr erwartet,
doch ich muß registrieren, daß global eine Müdigkeit eingetreten
ist. Alle großen Sänger stöhnen und versuchen zu überleben.
Im Zeichen der Zeit wird mehr auf DJ-Musik Wert gelegt, als auf die vokalistischen
Interpreten. Keiner mag mehr richtig zuhören und verstehen. Es gibt
kein Gleichgewicht mehr. Zur Zeit ist es eine einseitige Musikrichtung.
Fast hätte ich schon aufgegeben, aber ich habe die Verantwortung gegenüber
all den jamaikanischen Jugendlichen, die in mich und andere ihre Hoffnungen
setzen. Vielleicht werden wir durch RootZ wieder auf offene Ohren stoßen.

RootZ: Was denkst Du über Frauen im allgemeinen und auch über
emanzipierte Frauen?

Sugar Minott: Ehrlich, ich weiß manchmal nicht, wie Frauen
das Leben meistern. Ich denke trotzdem, sie haben es leichter. Ich finde
nur, Männer und Frauen sollten sich gegenseitig besser anpassen, dann
wäre manches leichter. Sie sollten mehr miteinander reden und nicht
die Frau in der Küche und der Mann vor dem Fernseher.

RootZ: Ist Geld wichtig für Dich?

Sugar Minott: Für mich selber nicht! Ich brauche keine hundertfünfzig-Mark-Schuhe,
mir reichen zwanzig-Mark-Schuhe. Doch ich habe auch eine finanzielle Verantwortung
für meine Familie und vor allen Dingen für mein Projekt, die
Youthman Promotion.

RootZ: Was hast Du für einen Eindruck von Deutschland?

Sugar Minott: Ich war schon einige Male hier. Ich gehe überall
gerne hin, wo Leute meine Musik hören wollen. Auch hier ist das Leben
schwer und stell Dir vor, ich war beim Mauerfall dabei und habe mitgefeiert.
Die Freiheit zu haben ist so unbezahlbar. An Deutschland gefällt mir,
daß es ein Volk mit Kultur und Geschichte ist. Irgendwie auch wie
Jamaika mit seiner afrikanischen Vergangenheit.

RootZ: Überall auf dieser Welt gibt es Probleme, wenn zwei verschiedene
Rassen sich lieben. Kannst Du uns einen Rat geben, wie wir dagegen ankämpfen
sollen?

Sugar (wie aus der Pistole geschossen): Macht viele Kinder, umso
mehr Nationalitäten werden wir haben, dann gibt es keinen Rassismus
mehr. RootZ: Was denkst Du würde passieren, wenn Marihuana auf der
ganzen Welt legalisiert würde?

Sugar Minott: Es würde weiterhin sehr viel Ärger geben.
Aus wirtschaftlicher Sicht würde Ganja dann vermarket für die
Medizin und was weiß ich noch. Sprich, die Geschäftswelt würde
uns ausbeuten und bluten lassen. Kinder würden zum Konsum durch die
Werbung überredet werden, wie heute zum Zigaretten rauchen. Der Preis
würde enorm steigen und es gäbe einen hart umkämpften Markt.

RootZ: Was sind Deine Hobbies?

Sugar Minott: Ich war tatsächlich im nationalen Fußballteam
als Torwart. Wirklich, ich habe für Jamaika gespielt. Doch ich habe
mich für die Musik entschieden und es bleibt für mich mein größtes
Hobby.

RootZ: Sugar, mit dieser letzten Frage beende ich immer meine Interviews.
Glaubst Du an Gott?

Sugar Minott: Ja, natürlich, wenn ich nicht an ihn glauben würde,
wäre ich nicht auf der Welt. Ich mache nicht nur Lovers und Dancehallsongs.
Jah ist der Creator und Du findest ihn in jedem meiner Songs.

RootZ: Sugar, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch.
Die RootZ Leser werden dieses Interview mit Interesse lesen. Ich hoffe,
Dich auf dem Sunsplash live erleben zu dürfen.

Sugar Minott: U2, thank you and keep going.

Wünschen wir diesem Sugar Minott, der so viel für die Reggae-Musik
macht, noch viel Erfolg und auch seiner Schule in Kingston, daß er
noch viele “Youngster” zu Größen wie Yami Bolo oder
Garnett Silk promotet. Wer mehr über Sugar Minott und seine Ambitionen
erfahren will, der kontaktiere doch bitte den Sugar-Minott-Fan-Club, z.
H. Jah Ted, Heideweg 7, 27607 Langen.

U2


Copyright Text: U2 1998 / Layout: Dr. Igüz
1998

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