Interview mit Horace Andy



 

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Interview mit Horace Andy



Juni 1999

RootZ: Guten Abend, Horace Andy! Es ist  eine Ehre, Dich zu
treffen. Tolles Konzert mit Massive Attack.

Nett, Dich in Deutschland zu sehen. Erzähl für unsere
Leser doch bitte mal ein bißchen über Deine Reggae-Karriere,
denn Du bist schon seit langem in der Szene, gib ihnen einen kurzen Rückblick.

Horace Andy: Nun, mein erster Song entstand 1966 und ich konnte noch
nicht wirklich singen. Also übte und übte ich die nächsten
vier Jahre. 1970 ging ich zu Studio One und konnte immer noch nicht singen.
Studio One ist, wo alles begann. Ich lernte Instrumente zu spielen und
zu singen.

RootZ: Zu dieser Zeit nanntest Du Dich noch Little Andy, oder?

Horace Andy: Nein, nein, nein!

RootZ: Schon Horace Andy?

Horace Andy: Nein, mein richtiger Name bei meinem ersten Song. Er
fragte mich: Wie ist Dein Name? Und ich sagte: Horace Hinds, er ging ein
bißchen herum, kam zurück und sagte: Warum nennst Du Dich nicht
Horace Andy, wie Bob Andy? Das war’s.

RootZ: Wie bist Du dann in England gelandet?

 

 

Horace Andy: England war das Land, wo für Reggae einiges passierte.
In Amerika ging nicht soviel wie in England, deshalb ging man nach England.

RootZ: Was waren Deine ersten Kontakte dort?

Horace Andy: Es war hart. Es war wirklich hart. Zu dieser Zeit hatte
man Island, Virgin, das waren die Firmen, die sich bemühten, weiterzumachen.

RootZ: Und die ersten Produzenten, mit denen Du gearbeitet hast?
Denn ich denke, als Du nach England kamst, hattest Du vielleicht schon
ein paar Leute um Dich herum.

Horace Andy: Nein, ehrlich nicht. Ich war auf mich gestellt.

RootZ: Hast Du schon mal mit Adrian Sherwood zusammengearbeitet?

Horace Andy: Nein.

 

 

RootZ: Was hältst Du denn von On-U Sound? Was hältst Du
von dem Label und seinen Produkten wie Skip McDonald, Dub Syndicate…

Horace Andy: Du wirst es nicht glauben. Es ist eine Schande, daß
ich davon noch nichts gehört habe. Das soll kein disrespect sein.

RootZ: Aber Du kennst diese Leute wie Style Scott, Skip McDonald,
Adrian Sherwood… Okay. Und wie bist Du an Massive Attack gelangt?

Horace Andy: Ich war in Victoria und wartete auf den Bus. Die Wartezeit
war lang, normalerweise fahren alle paar Sekunden Busse Richtung nach Hause.
Ich war es leid zu warten und ging zur nächsten Haltestelle. Ein Freund
von mir namens Dick kam zu mir und sagte: Du bist in London? Und ich sagte:
Yah man! Er sagte: Was für ein glücklicher Zufall! Ich habe einen
Freund, der eine Band hat, die Sänger suchen. Er nannte seinen Freund
Cameron. Und ich sagte: Ich kenne nur einen Cameron. Er hatte versucht,
mich dazu zu bringen, Popmusik zu singen. Das ist niemals passiert. Sie
riefen an und sagten, sie senden ein Tape, so daß ich es mir anhören
könnte, und wir sollten sehen, was passiert. Von da an war ich bei
Massive.


 

 

RootZ: Und Du hast einiges an den Songs mitkomponiert, oder? Denn
es gibt einige neue Versionen Deiner alten Songs, oder zumindest von Teilen
Deiner alten Songs.

Horace Andy: Das war „Spying Glas“. Sie sagten mir, sie hätten
einen meiner Songs gecovert, und ich fragte mich welchen. Als ich in Jamaika
war und den Song vorgespielt bekam, konnte ich es nicht glauben. Das war
wirklich nett, denn es wurde zu einem der Lieblingssongs von Massive.

RootZ: Aber Du bist immer noch in der Reggae-Szene aktiv. Als was
würdest Du Dich denn bezeichnen? 

Bist Du ein Mitglied von Massive Attack oder arbeitest Du nur mit
ihnen zusammen?

Horace Andy: Ich würde nicht Mitglied sagen, vielleicht Special
Guest. (Lachen) Während dieser Zeit habe ich auch noch mit Shaka gearbeitet
und auch mit Mad Professor. Ich kann euch eine Überraschung verraten:
Ich habe ein neues Album! Wicked, Wicked, das Beste seit Bob Marley also
hört es Euch an!

RootZ: Und ist es eine gemeinsame Produktion mit Mad Professor?

 

Horace Andy: Nein, ich habe es in Jamaika aufgenommen. Ich komme
gerade aus Jamaika.

RootZ: Wer hat es produziert?

Horace Andy: Clive Hunt.

RootZ: Wer sind die Musiker?

Horace Andy: Dean Frazer, Sky von Chalice, Scully, Bongo Herman,
Leute von 809, gemischte Leute, aber die besten!


RootZ: Erzähl mir was von den Lyrics.

 

Horace Andy: Wicked! Songs wie „Seven Seals“, „Johnny too bad“, „My
love“, „Children“… Wicked!

RootZ: Was für ein Stil?

Horace Andy: Du mußt es hören. Das kann ich so nicht sagen.

RootZ: Ist es mehr Dancehall oder Roots?

Horace Andy: Hör Dir einen Track an und Du weißt es.

RootZ: Und gibt es darauf irgendwelche Kooperationen mit anderen
Sängern?

Horace Andy: Nein.

RootZ: Strictly Horace Andy!

Horace Andy: Ja! Jeder wird überrascht sein.

RootZ: Was hat Dich dazu gebracht, Dieses „ah ah ah“ mit Deiner Stimme
zu machen?

Horace Andy: Ich weiß nicht, ich wurde einfach damit geboren.

RootZ: Aber es ist großartig. Es macht Deinen Stil sehr speziell.
Du bist daran leicht zu erkennen.

Horace Andy: Es ist ein Geschenk, es kommt ganz natürlich.

RootZ: Wo hältst Du Dich mehr auf, in Jamaika oder in England?

Horace Andy: Es gibt da zwei Plätze, eigentlich drei. Aber ich
verbringe immer noch mehr Zeit in Jamaika. Wenn ich mit meinen Sachen fertig
bin, muß ich einfach wieder nach Hause kommen.

RootZ: Und wo in Jamaika?

 

Horace Andy: Hier und dort. Meine Wurzeln liegen immer noch in Juleston
(?). Wenn ich nach Hause komme, bin ich immer dort. Dort schreibe ich die
meisten Songs, die dieses Album enthält.

Rotz: Inspiration!

Horace Andy: Yah man.

Rotz: Was gibt es neues in Jamaika?

Horace Andy: Es ist immer noch sehr schön. Was gibt es da neues?
Das gute herb!

RootZ: Das gute herb, ja, aber das ist nicht neu. Schon seit Ewigkeiten…
Was hältst Du denn vom Internet?

Horace Andy: Ich muß sagen, ich besitze keinen Zugang. Es ist
gut für die Kommunikation, der technologische Fortschritt. Wir haben
diese Art von Kommunikation, aber ich habe damit nichts zu tun.  Als
Rasta halte ich mich von so etwas fern.

RootZ: Du bevorzugst direktere Kommunikation.

Horace Andy: Ja, es gibt dort soviel Kommerz.

RootZ: Wo wir gerade dabei sind, Rasta, eine persönliche Frage:
Wo sind Deine Dreads? Ich meine, – ich denke nicht, daß ein Rasta
Dreads braucht um ein Rasta zu sein. Nein, Dreadlocks machen eine Person
nicht zum Rasta – natürlich nicht.

Horace Andy: Ich mag es, daß Du das sagst. Dreadlocks und Rasta
sind zwei verschiedene Sachen, glaub mir.

RootZ: Es wächst also eine neue Generation heran.

Horace Andy: Yah man.

RootZ: Was hältst Du von den Bobo Dreads?

Horace Andy: Bobo Dreads, die sind so militant, sie sind so streng.
Sie sagen, sie essen und trinken nichts von Babylon, keine Suppe aus Babylon.
Ich mag sie, sie sind sehr militant.

RootZ: Nimmst Du sie ernst?

 

 

Horace Andy: Yah man, Sizzla ist sehr ernst zu nehmen.

RootZ: Sizzla ist nächste Woche hier.

Horace Andy: Ja? Wicked.Ich liebe diesen Jungen, dieser Junge ist
einfach stark, sehr stark. Ein sehr starker Junge. Er erinnert mich an
mich selbst, als ich darein kam. Das war auch so. Äußerst rebellisch.
Das bin ich immer noch, aber etwas ruhiger.

RootZ: Conscious people!



^ Sizzla
Horace Andy: Ja. Und sie beeinflussen ihn und sagen „Fire
bun everyting!“ und „Fire bun Jesus and the empire!“. Wir wissen, daß
His Imerial Majesty aus der Linie und aus der Wurzel Davids kommt, und
Christ kommt aus der Linie David’s. Aber ich respektiere ihn [Sizzla] deshalb
nicht weniger, denn als ich jung war, sagte ich auch immer „Fire fi Jesus!“
Es hat sich aber schon einiges getan. Wenn du schon „Rastafari“ sagst,
bedeutet das, daß du rebellisch bist.

RootZ: Okay. One Love!

 


Copyright Text: Dr. Igüz  / Bilder: Sabrina
Esser / Melancholik / Contour / Layout : Dr. Igüz 2000

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