Editorial von RootZ – den Reggaeseiten


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Köln,
04. Oktober Y2K1

Blessings Massive, 

auch wenn die Realität
nach dem 11.09.01 bestimmt nicht mehr dieselbe ist, muß es irgendwann
wieder in Richtung „Normalisierung“ gehen. Gerade die Reggaeszene sollte
nicht allzu sehr in Richtung paralysierendes Erstaunen und Resignation
abrutschen. Denn diejenigen, die sich mit Lyrix und Messages der Reggaemusiker,
insbesondere der Old School, aber auch des neuen Conscious Movement, beschäftigen,
dürften die Anschläge auf WTC und Pentagon nicht besonders erstaunt
haben. 

Ich möchte an dieser
Stelle erneut darauf hinweisen, daß wir uns jetzt nur am Anfang eines
durch die Attacken auf die Macht des Kapitalsmus ausgelösten Prozesses
sind. Wir wissen noch gar nicht, wie sich dadurch unser aller Leben verändern
wird. Wir können es schon ahnen und befürchten das Schlimmste.
Im Folgenden biete ich Euch meine kurze und bestimmt nicht professionelle
und auch nicht unpolitische Analyse zu diesem schwerwiegenden Vorgang an. 

 















Alle Bilder stammen
aus dem Kölner Express
Über 5000
Tote sind bei den beiden Anschlägen zu beklagen. Das ist eine Horrorzahl,
wie man sie sich in unseren Gefielden überhaupt nicht vorstellen kann.
Anderswo ist solch eine Menge von Opfern leider Normalität. Man denke
nur an die ungezählten AIDS Toten in Afrika, an die Hungersnot im
Südsudan, die Ökokatastrophe imNigerdelta, den vermeidbaren Völkermord
in Ruanda usw. Warum sind diese Toten bei uns weniger präsent, warum
berührt uns das weniger?

Um eine Antwort auf diese
Fragen zu bekommen, muß man etwas tiefer buddeln. Daß Betroffenheit
und Mitgefühl sich eher entwickeln, wenn es um nahestehende Menschen
geht, kann wohl jeder nachvollziehen. Aber das ist nicht der gesamte Mechanismus.
Ein Großteil der unterschiedlichen Bewertung menschlicher Opfer wird
von den Medien unternommen. Ungeteilte Aufmerksamkeit unserer TV Stationen,
Zeitungen, dem www und Magazinen bekommen nur Opfer der westlichen Hemisphere,
Katastrophen in anderen Gebieten werden peripher behandelt. Die Frage stellt
sich, ob solch ein Verhalten nur als menschlich zu sehen oder von gewisssen
Interessen geleitet ist. 

Warum ensteht plötzlich
eine solche erschreckende Dimension des Straßenterrors? Zweifellos
haben primär die Amis, aber eigentlich die gesamte, so genannte „zivilisierte“
Welt jahrzehntelang die Grundlage für den Terror herangezogen. Fundamental
sind da zwei Faktoren zu nennen, die über die Zeit zu immer verkrusteteren
Denkstrukturen geführt haben: Einerseits die zutiefst ungerechte Weltordnung.
Ich lasse das zentrale „-wirtschafts-„ ganz bewußt weg, denn der
Teil ist zwar ein wichtiger, aber kein umfassender Punkt. Dazu ein kurzer
historischer Anriß:

Seit Jahrhunderten begeben
sich weiße Menschen auf Eroberungszüge, die Conquistadoren dezimieren
die edlen indianischen Kulturen Süd- und Mittelamerikas, rauben die
Goldschätze der Inka und Azteken und schmelzen die fantastischen Artefakte
einfach ein. Händler und Missionare erforschen die Westküste
Afrikas, umrunden das Kap der Guten Hoffnung und gelangen auf dem Seeweg
in den Indischen Ozean. Dabei trefen sie Kulturen an, die in alten Reiseberichten
den europäischen als gleichwertig entwickelt beschrieben werden. Als
nächstes kommen die unsäglichen Missionare und der mindestens
25 Millionen Opfer fordernde Sklavenhandel mit all den katastrophalen Folgen
für den gesamten Kontinent. Als wenn das noch nicht genug wäre,
folgt stantepede der Kolonialismus, die westlichen Mächte gehen Ende
des 19. Jahrhunderts hin und teilen Afrika auf, als wäre es eine Schwarzwälder
Kirschtorte. Der Sahnetupfer des Kolonialismus in Afrika sind Apartheidregime
in Südafrika und Rhodesien. Ein weiteres Kapitel ist die „Erschließung“
Nordamerikas. Wie das abgegangen ist, weiß jeder von uns aus den
unzähligen Western, die diesen Vorgang meist noch hochjubeln. Unzählige
Indianerleben sind der Preis für diese europäische Expansion. 

Ergebnis dieser Jahrhunderte
des Exportes weißer Menschen an die entlegendsten Winkel des Planeten
ist ein feines Netzwerk von kulturellen, monetären und militärischen
Einflüssen. Auf die Slaverei und den Kolonialismus folgen in der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die Unabhängigkeit der meisten
vormals besetzten Gebiete. Aber Unabhängigkeit bedeutet noch längst
nicht Freiheit oder Selbstbestimmung. Da hat sich der Westen schon wieder
ein neues Werkzeug einfallen lassen, um die Kontrolle der Welt nicht zu
verlieren. Heute nehmen Weltbank, I.W.F. und Militärbündnisse
Positionen ein, die der sog. Dritten Welt eine eigenständige Entwicklung
überhaupt nicht mehr möglich machen. 

Ein weiteres wichtiges Mittel
in diesem Herrschaftsmechanismus bilden die Medien, spätestens seit
den Neunziger Jahren, wo sich immer mehr global operierende TV Ketten etablieren.
Diese schaffen es ganz subtil eine verdeckte, weltweite Kulturrevolution
durchzuführen, die unvorstellbare Ausmaße annimmt. Mit global
vermarkteten Serien und Programmen werden die dem westlichen Kulturkreis
zugehörigen Werte in die Köpfe von Menschen gebracht, die dieser
Invasion aufgrund niedrigen Bildungsniveaus und mangelnder internationaler
Erfahrung nichts entgegensetzen können. Das Ego als Kernzelle allen
Strebens löst filigrane Sozialsysteme immer stärker auf und läßt
uralte Kulturen dem globalen Einheitsbrei von Ichstreben, Anonymität
und Konkurrenz weichen. Markenshirts von Adidas und Nike verdrängen
traditionelle Kleidung, ungesundes Weißbrot ist leckerer als der
nahrhafteste Maisbrei, die individuelle Entwicklung wird wichtiger als
die sensible Struktur des Sozialnetzes der Großfamilie gesehen. Das
Leben im Großstadtdschungel wird als erstrebenswerter gesehen, als
die Existenz in beschaulichen Dorfstrukturen. 

Wir haben Kreuzzüge,
Sklaverei und Kolonialsimus hinter uns gebracht, jetzt hat die Unterdrückung
noch zwei Facetten: Kultur- und Wirtschaftsimperialismus, die Methoden
sind auf andere Ebenen verlagert worde. Heute muß man den Menschen
nicht mehr mit Waffe oder Peitsche in das gewollte Verhalten pressen, das
wird per medialer Gehirnwäsche und wirtschaftlicher Abhängigkeit
erledigt. Das einzige, was global gelten soll, sind die Wertvorstellungen
der westlichen Hemisphere inklusive des dort entstandenen Wirtschaftssystems. 

Dieser Prozeß hat sich
über die Jahrzehnte, aber insbesondere seit den Sechziger Jahren in
immer größere Höhen geschraubt. Und damit haben Grundlagen,
Träume, Illusionen, Möglichkeiten, Moralsysteme und Entwicklung
nichtwestlicher Systeme sich mehr oder weniger in Luft aufgelöst.
Zuletzt ist dann auch noch der Kommunismus als letzte Alternative eingegangen
wie eine rote Primel.

Die Attacken vom 11.09.01
haben dazu geführt, dass dieses System sich hinterfragen MUSS. Die
Wirtschaft erleidet Verluste in Höhe mehrerer Hundert Milliarden Dollar,
die mächtigste Macht der Welt wird angegriffen und herausgefordert.
Der NATO - Verteidigungsfall ist zwar zurückgenommen, aber die Amis
werden draufhauen. 

Damit ist erwiesen, dass
das System zwar eine Analyse durchgeführt hat, aber zu einem aus meiner
Sicht völlig falschen, wenn auch zu erwartenden Schluß gekommen
ist: „Wir trotzen der Gefahr, wir werden dadurch nur stärker. Die
westliche Hemisphere muß die freie Welt schützen und mit allen
Mitteln gegen Terrorismus vorgehen.“ In solchen und ähnlichen Worten
rüsten die mächtigen Männer dieser Welt für den Konflikt.
Es ist wieder mal typisch:  die Symptome – der Terrorismus plus sympathisierende
Länder – werden berechtigterweise bekämpft. Aber über die
Ursachen redet bisher kein Mensch. 

Wenn die Amis ihre Soldaten
aus der Nähe der heiligen Islamstätten Mekka und Medina abziehen,
wenn sie eine gerechte Palästinapolitik machen, wenn Kompensationsforderungen
von Indianern und afrikastämmigen Menschen erhört werden, wenn
der Kulturimperialismus von Warner, NBC, Voice of America und Konsorten
endet, wenn multinationale Konzerne Gewinne gerechter verteilen, wenn auch
das letzte Land die Ressourcen von Mutter Erde mehr respektiert, wenn die
Chancen auf eine dezente Lebensentwicklung ausgeglichener sind, wenn nicht
mehr Waffen- und Wirtschaftsmacht, sondern weise Menschen sprechen, dann
bedarf es vielleicht keines Terrorismus auf dieser Welt. Ihr seht schon,
das war ein langer Konditionalsatz und ich habe bestimmt noch viele Voraussetzungen
vergessen. 

Eine Schlüsselposition
in diesem Prozeß sind wiederum die Medien, darüber läuft
schließlich der Transport aller Informationen. Bisher ist den Verantwortlichen
in den Content-Schmieden ihre Schlüsselposition offensichtlich nicht
bewusst (siehe Beispiele). Die Art der Berichterstattung ist erschreckend.
Bilder von Zerstörung, Hysterie, Gewalt und Terror auf der einen Seite
und GEFÄLSCHTE (!) Szenen feiernder Araber auf der anderen sprechen
eine eindeutige Sprache: Hier sollen Gefühle hochgepuscht werden.
Der Pöbel wird auf Krieg vorbereitet, oder was? 

In den drei nach dem Anschlag
vergangenen Wochen habe ich mit vielen Leuten über die Ereignisse
gesprochen und ein paar Aspekte scheinen von der großen Mehrheit
der Leute ähnlich gesehen zu werden: Bush wird zuschlagen und hat
aus seiner Sicht die Green Card als Global Sheriff unbefristet verlängert
bekommen. Das Gros der Länder dieses Planeten will bei diesem Showdown
unbedingt als Deputy dabei sein. Innenpolitisch können wir uns auch
auf einiges gefasst machen, ich schätze mal, da waren die Wirkungen
der R.A.F. derzeit ein Kinderspiel gegen das, was uns Herr Shily in der
kommenden Zeit bescheren wird. Rasterfahndung und Sky Marshals sind nur
der Anfang einer Entwicklung, deren Ende Big Brother als Kindermärchen
erscheinen lassen mag. Und wir bezahlen auch noch selbst dafür: Sicherheitssteuer
auf Kippen und Versicherungen. Vielleicht reicht das endlich als Anreiz,
dem Nikotin zu entsagen, denn ich diene nicht gerne als Teerspitze gegen
den Terrorismus. 

Am wichtigsten für die
Szene finde ich, zu unterstreichen, dass wir erneut gesehen haben, dass
Gewalt wieder zu Gewalt und wieder zu Gewalt und noch mal zu Gewalt führt.
An die Leute, die eine gewisse Häme bei den Anschlägen verspürt
haben: Hinterfragt Euch noch mal, ob das so angebracht ist. An die Leute,
die nach Vergeltung schreien: Schneidet Eure TV - Marionettenfäden
durch und bildet Euch erst mal eine ausgewogene Meinung. An die Leute,
die trauern: bitte lasst Euch nicht zu Haß aufstacheln. An alle:
In solch einer Zeit sollte sich jeder überlegen, wie man positiv handeln
kann, um die katastrophalen Folgen der Attacken vom 11.09.01 für uns
alle abzumildern. Jah Guide!

Neu Bei RootZ:

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Das englische Reggaelabel
Greensleeves Records feiert 25-jähriges Jubiläum. Grund genug
für RootZ die Entwicklung des Labels nochmal
revuepassieren
zu lassen. 

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ist komplett neu überarbeitet worden. Über 400 nach Sprachen
und Themen sortierte Links ins Reggae-www. 

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Feature
über Sizzla's letzte drei Alben.

Platte
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"Mentally
Disturbed" von Ward 21

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des neuen Albums "Log On" von Elephant Man.

Verlosung
von fünf Bun Bun Riddim Alben.

Gewinner
der Herbalist / Energy Riddims Album

Gewinner
der  Selecshun von Benjie Singles

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Als Relaunch der Kategorie
Bilder hat RootZ für Euch ein besonderes Schmankerl: Unsere Korrespondentin
Queen Bee war im Juli und September auf Jamaika und hat eine ganze Menge
Bilder mitgebracht. Hier gibts jetzt die um über
20 neue Bilder erweiterte Photoserie.

One love, peace, Doc Igüz

 

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