RootZ Musik – Musikfeature – Sizzla’s righteous roaring lion’s dancehall laments


Sizzla’s
righteous roaring lion’s dancehall laments

Sizzla
ist für mich ein echter Ausnahmemusiker. Und was er jetzt wieder gebracht
hat, ist RootZ ein Feature wert: drei Alben innerhalb von ein paar Monaten,
das dazu auf drei leading Reggae Labels – Greensleeves, VP und Jetstar.
Ist der Mann ein Workaholic? „Er hat einfach viel zu sagen“ meint Buccaneer
im Interview und lacht sich einen …“this man got plenty things to say“…“Produce
it and I voice it“ singt Sizzla selbst auf  „Whirlwind“, einem der
zahlreichen neuen Tunes. Na gut, dann werft dem hungrigen Singjay-Lion
eben akkustisches Futter vor, daß ihm bloß die Kehle nicht
zutrocknet und die Röhre weitergehen kann. Mir soll’s recht sein,
wenn trotz der Massenproduktion noch solche Qualität rauskommt, wie
auf den bisherigen 2001er Alben „Taking Over“ (VP), „Rastafari Teach I
Everything“ (Greensleeves) und „Black History“ (Jetstar). Im Einzelnen:

Taking
Over

Ein
frischer Flow, der die 15 Songs des Albums verbindet. Das liegt daran,
daß viele neue, für Reggae unorthodoxe Sounds in die traditionelle
Struktur eingebaut werden und Sizzla seinen Style gehörig erweitert.
Bei  dem Lied „Somewhere Oh Oh“ beispielsweise ist die Hookline schon
fast eine Hommage an den Popsound der Endsechziger und beginnenden Siebziger.
In den Tunes kommen immer wieder akustische Gitarren zum Einsatz, die den
überwiegend digitalen Sound angenehm auflockern. 

Stylewise
ist das Album sehr facettenreich. Einige Songs sind stark geloopt und haben
einen fetten Hiphopbeat, z.B. „Brand New“ oder „Profile“. Das kontrastiert
dann mit balladesken Stücken, wie „Fare“ oder dem fantastischen Whirlwind“
…keep the fire burning, blow away the wicked like chuff…“, meinem persönlichen
absoluten Favoriten der drei Alben. Dancehallvibes kommen natürlich
auch nicht zu kurz, bspw. „To The Point“ oder „Nah Shield Corruption“.
Alle Stücke wurden mal wieder von Sizzla’s Leibproduzenten “Fattis”
Burrell realisiert. 

Rastafari
Teach I Everything

Das
Album beginnt mit dem Titelsong, welcher sofort ein tiefes, rootsiges Feeling
erzeugt, und dem Zuhörer den Zugang zu den spirituellen Lyrix des
Dancehalllöwen erleichtert. Interessant ist bei einigen Tunes die
Wahl der Sounds auf den Keyboards, man höre mal bei „Beautiful“ oder
„It This“ rein, da kommen die Tastensounds der Achtziger ziemlich klar
raus. Für dieses Werk sind auf jeden Fall ein paar neue, ungewohnte
Geräusche hinzugekommen. Manchmal erinnern mich die Sounds an experimentale
Alben à la Cale, Eno und Konsorten, zu hören beispielsweise
bei der Gitarre auf „Revenge“. 

„Yes
I Get High“ flasht hingegen härteste Breakbeats, ein weiteres Feature,
das den Stilreichtum des Albums vergrößert. Dann gibt es aber
auch ganz traditionelle Reggaenummern – den besagten Titelsong oder „Give
Her The Loving“. Die Raggatunes – „Planet Earth“, „Energy“ oder „Stay Clean“
gehen sofort in die Beine. Eine satte Scheibe Hip Hop Vibes ist auch dabei,
bei „Escape from Prision“ kommt noch etwas Scratching dazu. Und auch für
rockige Sachen, denn anders kann man „No Problem“ wohl nicht bezeichnen,
ist sich Sizzla nicht zu schade. Das Beste ist: das gelingt ihm dann auch
richtig gut. Überhaupt ist es eigentlich egal, welche Zusätze
neu sind in der Musical Soup, denn die röhrende, anklagende und wütend
predigende Stimme von Sizzla drückt den Riddims eh einen unverwechselbaren
und eindeutig kennzeichnenden Stempel auf. Verantwortlich für diese
Xterminator Production zeichnet einmal mehr Philip Burrell. 

Black
History

Bei
diesen viezehn Tunes ist grundsätzlich eins zu bemängeln und
zwar die Aufnahmequalität. Ich weiß nicht, was da passiert ist,
aber der Sound, insbesondere Peaks und Dynamik liegen ganz klar am unteren
Ende der Skala unseres Hifi Hörverhaltens. Der abschließende,
fraglos wunderschöne Song „Happy to love“ – nur Akkustikklampfe und
Sizzla`s Löwenstimme – ist so schlecht, daß die Aufnahme fast
durchgehend flattert und machmal böse leiert. 

Musicwise
kommt allerdings keine minderwertige Qualität raus. Alle Tunes sind
frisch, haben Einschläge von Popmelodien, die Keyboards holen sich
Inspirationen aus Quellen, wie Supertramp und anderen „Artrock“ Bands der
Siebziger. Viel Roots, wie man ihn gewöhnt ist, mit bisher für
das Reggaehörverhalten nicht gewöhnlichen Einflechtungen von
Klängen vergangener Zeiten und Flicken diverser längst überholter
Genres. 

Stylewise
gibt’s auch eine ganze Palette. Wunderschöne Balladen, wie „No Pain“,
das den Gänsehautfaktor von Bob’s „No Woman No Cry“ hat und besagtes
technisch mangelhaftes „Happy to Love“, Reggaenummern, wie „Upfullness“,
aufgelockert mit einem flockigen Breaksample oder „Don’t be disappointed“
und natürlich ein paar Raggashots, bspw. „Problem Inna The System“
„Run Dem To Wrong“ oder „Run Dem Up“.  Insgesamt ein Album mit wenig
stilistischen, aber ein paar soundmäßigen Überraschungen.
„Black History“ ist das einzige der drei Neuerscheinungen, bei dem Kalonji
selbst bei der Produktion Regie geführt hat. Vielleicht ist dies der
Grund, warum das Album das traditionellste ist. 

Drei
Alben und 42 Songs später. Wahrscheinlich muß man noch zwei
Tunes wöchentlich auf Kalonji’s Konto aufrechnen, denn die brauchen
Artists, um auf der hartumkämpften Dancehallszene Jamaikas weiterbestehen
zu können. Dieser Mann ist ein Phänomen! Stand firm in Jamdown
und stand firm inna Babylon – und das ohne im „kommerziell vs. credible
Blutspagat“ eines Shabba Ranks und Konsorten zu enden. 

Alle
drei Alben verbindet der Geschäftsgedanke, Europa und den Rest der
Welt musikalisch zu erobern. Das wird vom Produzenten Philip „Fattis“ Burrell
geschickt eingeleitet, indem er die erwähnten Einflüsse aus bisher
ungewohnten Genres und Soundscapes auf die traditionelle Struktur von Reggae
und Ragga prallen lässt und so eine ganz neue Arena für Sizzlas
Löwengebrüll erschafft. 

Ich
habe selbst lange gebraucht, bis ich mich mit ihm anfreunden konnte und
weiß, daß ich damit nicht alleine stehe. Aber jetzt bin ich
in gewisser Art ein Sizzla Disciple. Nicht nur, weil mich interessiert,
was dieses Lyrixgenie als nächstes zu flashen hat, sondern auch, weil
ich durch das Anhören seiner Texte ein immer besseres Overstanding
erreiche und ihn mittlerweile nicht mehr nur als verbalen Flammenwerfer
sehe, der uns Weißbrote ein wenig brauntoasten möchte. Es sind
einfach die righteous roaring lion’s dancehall laments. Sizzla taking over
Black History when Ras Tafari teach him everything. 


Copyright: Dr. Igüz
1998 – 2001
Zum Seitenanfang

 

Scroll to Top