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Feature

Thai Pop

„Hey Veit, willst Du nicht eine Rezension schreiben über die CDs, die ich aus Thailand mitgebracht habe?” Klar Max, kein Problem. Auch wenn ich nichts von thailändischer Popmusik weiß. Aber schließlich ist man ja anderen Musikkulturen gegenüber aufgeschlossen, Musik ist die Weltsprache, und so weiter. Außerdem ist die fernöstliche Musikwelt bestimmt schon so vom westlichen Einfluss durchsetzt, dass kaum noch Unterschiede existieren. Und eigentlich bin ich ja fast schon überqualifiziert, denn schließlich habe ich schon einmal Terminator 2 mit thailändischen Untertiteln gesehen. Also alles kein Problem.

Doch die Probleme fangen schon an, als ich auf dem Cover eigentlich nur die Zahlen unter dem Strichcode lesen kann. Das Hantieren mit einem Thai-Lexikon erspare ich mir, denn da käme wahrscheinlich die Art von Übersetzung heraus, die man auf billigen importierten elektronischen Spielzeugen lesen kann: “Nie Wurf-Batterien in einem Feuer oder Versuch öffnen aufwärts seine äußere Verschalung”. Und sonst? Die Schriftzeichen beschreiben? “Sieht aus wie ein umgedrehtes R mit einem Stern obendrauf” ... das hilft auch keinem weiter. Also lassen wir den Künstlern ihre wohlverdiente Immunität und beschränken uns auf das, was wir hören können. 
 
Die erste Band / Artist / Interpret, gleich mit zwei fast identisch aussehenden Tonträgern dabei, besteht - sofern man dem Cover Glauben schenken darf - aus einer Frau mit übergroßem Kopf, einem blauen Humanoiden mit ziemlich großen Füßen und einer Discokugel als Kopf und einem dünnen, grünen, einäugigen Marsmännchen. So in etwa klingt das ganze auch. 
Quietschbunter Bonbon- Kaugummi-Teenie-Dance-Pop jenseits aller Geschmacksgrenzen. Wer auch nur fünf der insgesamt 20 Tracks auseinander halten kann, sollte sich sofort bei Wetten Dass? melden.


 
Die zweite Interpretin oder Band heißt Gummy Girl (ein Ferkel, wer jetzt an was bestimmtes denkt) und ist mit dem Album “Let’s Run ... Let’s Dance ... Let’s Go!” vertreten, wobei ich vor allem die Reihenfolge interessant finde. Und passend zum Albumtitel in Englisch findet man hier für westliche Ohren schon wesentlich vertrautere Klänge. Meistens kann man die Song- und Melodiestrukturen nachvollziehen und sogar die einzelnen Tracks unterscheiden! Diese Musik würde wahrscheinlich herauskommen, wenn man Madonna und DJ Bobo unter Drogen setzt und 24 Stunden in ein Studio sperrt. Ein Experiment, das längst überfällig ist. Wer hier Pionierarbeit leisten will, hat meine volle Unterstützung.

 
Und schließlich haben wir noch eine Compilation mit dem Titel “Dance Of The Year 2001“ - We Are Number One”. Und nach dem Kulturschock der ersten drei CDs ist das fast wie eine Rückkehr nach Hause, denn die sieht aus wie jede heimische Mayday- Tekkno- bis- der- Arzt- kommt”- Compilation. Wobei mir die eigentlich genauso fremd sind ... so langsam frage ich mich,  wo ich eigentlich wohne. Immerhin entdecke ich alte Bekannte wie die Frau mit dem großen Kopf oder Gummy Girl. Und die Tracks, die ich noch nicht kenne, hätten eigentlich alle auch auf den ersten drei CDs sein können. So langsam komme ich mir schon vor wie ein Kenner der thailändischen Musikszene. Nichts Neues beim Dance of the Year 2001.

Und was lernen wir daraus? Zumindest ich habe eine Menge gelernt: Musik ist zwar Weltsprache, aber bestimmte Dialekte sind immer noch sehr schwer verständlich. Die thailändische Popmusik ist zwar zu drei Vierteln nach westlichen Mustern gestrickt, das restliche Viertel gehört jedoch zweifelsfrei zu den Mysterien des fernen Ostens, so wie Feng Shui, Höflichkeit gegenüber Fremden oder Karaoke. Die Musikwelt ist also doch noch nicht so zusammengewachsen und vereinheitlicht, wie man vielleicht annehmen mag. Das ist doch durchaus positiv, oder? 

Die wichtigste Lektion ist jedoch: sobald Max noch einmal mit derart obskuren CDs ankommt, sage ich, dass ich gerade an einem Bericht über ein Experiment mit Madonna und DJ Bobo arbeite. Wäre doch schön, wenn ich dann nicht einmal lügen müsste. Also Leute, lasst mich nicht im Stich.


Copyright Text: Veit König / Layout: Doc Highüz 2002 Zum Seitenanfang