RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

Tagesschau online 07.01.07

Australien und die Kohle

“Wir krempeln eine ganze Landschaft um”

Australien im Rohstoffrausch: Der Hunger der

Welt nach Kohle

treibt die Wirtschaft an. Vor allem in die Stahlwerke Chinas, Indiens

und Brasiliens geht der Brennstoff. Australien ist damit aber auch

abhängig von der weltweiten Konjunktur, denn das Riesenland hat

kaum

eigene Technologie.

Von Robert Hetkämper, ARD-Singapur

Der Kohlehafen von Hay Point an den blauen Wassern der

tropischen

Ostküste Australiens, ein paar Kilometer südlich der Stadt

Mackay: Hier

kann man die Riesenspielzeuge der globalen Wirtschaft bestaunen. Auf

der Reede reiht sich Frachter an Frachter: Ausweis des gewaltigen

Hungers der Welt nach Kohle. Dies ist ein Brennpunkt der Weltkonjunktur.

Australien ist der weltgrößte Exporteur von

Kohle – 80 Prozent der

schwarzen Halden werden nach Asien verschifft, weitere 12 Prozent gehen

nach Brasilien. Rohstoffexport zu den Stahlkochern der Entwicklungs-

und Schwellenländer.

Noch

mehr Riesenspielzeug im Landesinneren: Auf der Copabella-Mine wird der

begehrte Brennstoff im Tagebau abgebaggert: fünf Millionen Tonnen

pro

Jahr. Und dies ist nur eine von zwanzig Kohlegruben in der Region. Die

hier abgebaute Kohle ist besonders geeignet zur Befeuerung von

Hochöfen. Wächst die Stahlproduktion, steigen die Preise

für diese

Kohle.

Die Nachfrage kommt aus den Schwellenländern

China baut ein neues Stahlwerk nach dem anderen, Indien

ebenso. “Von

dort”, sagt der Minenmanager Paul Smallbone, “kommt die Nachfrage”. Das

Wachstum von China, Indien und Brasilien in den letzten zwei Jahren

habe die Kohle-Industrie gründlich verändert, sagt er. Paul

selbst

stammt aus England, ist erst seit ein paar Monaten australischer

Staatsbürger.

50 Tonnen wiegt allein die Schaufel des Mega-Baggers,

der die oberen

Gesteinsschichten abräumt. Darunter liegt die Kohle. Paul, der in

Europa aufgewachsen ist, ist fasziniert von den gewaltigen Dimensionen

seiner Arbeit. “Ja”, sagt er, “wir krempeln eine ganze Landschaft um”.

Im Vergleich zu Europa hat Australien einfach die Größe und

die

Rohstoffe.

Australien im Rohstoffrausch…

Die nächste Maschine. Sie arbeitet 24 Stunden am

Tag, 365 Tage im

Jahr: Australien ist im Rohstoffrausch. Die Minen zahlen ihren

Angestellten traumhafte Gehälter. Die Folge: Australiens

Landwirtschaft

hat Personalnot, in den Städten schließen Geschäfte,

weil ihre Besitzer

in die Minen gehen. Der Wechsel von Boom und Pleite bestimmt

Australiens Lebensgefühl. Jetzt ist eben Boomzeit.

“Die Maschine hier bewegt pro Jahr 34 Millionen Tonnen

Gestein”,

sagt Paul. “Ein bisschen Wahnsinn, oder?”, fragen wir. “Aber Ja”, sagt

er. “Wir versetzen buchstäblich Berge.”

… aber nur als Lieferant

Australien lebt von der Ausbeutung seiner

Bodenschätze. Aber die

Technik, die es dabei einsetzt, stammt aus dem Ausland. Der Bagger etwa

ist aus den USA importiert. Das Riesenland Australien ist industriell

ein Zwerg, ohne nennenswerte eigene Technologien – wie ein Land der

Dritten Welt. Dabei könnte Australien selbst Stahl produzieren, es

hat

Kohle und Eisenerz. Stattdessen verschifft es beides nach Asien. Dort

bauen Länder wie Japan, Korea und jetzt vor allem China ihre

Industrien

auf und werden reich damit. Australien begnügt sich mit der Rolle

des

Rohstofflieferanten.

“Niemand kann mit uns konkurrieren”

Elf Meter hoch ist hier ein Kohleflöz, zehn mal so

mächtig wie in

den absterbenden Kohlezechen beispielsweise in Deutschland. “Niemand

kann mit uns konkurrieren”, sagt Paul. “Wir, Südafrika, Amerika:

Die

großen Tagebauminen sind der Grund, dass der Untertagebau am Ende

ist”,

sagt er. Kohle ist Australiens Exportgut Nummer Eins.

Kilometerlange Kohlenzüge transportieren die Kohle

die 140 Kilometer

bis zum Hafen: Elftausend Tonnen pro Zug, mit vier Lokomotiven. Die

Strecke wurde eigens für die Minen gebaut. Das Innere des

tropischen

Queensland ist kaum besiedelt. Es ist also Platz genug für

Riesenunternehmen dieser Art.

Asiatische Firmen sichern sich ihren Einfluss

Ein beträchtlicher Teil des Kohlegeschäftes

gehört inzwischen

asiatischen Firmen. Auch die Betreibergesellschaft der Copabella-Mine

hat Teilhaber aus Japan und China. Die Staatliche Chinesische

Investmentgesellschaft hält über zwölf Prozent der

Aktien und sichert

sich damit erheblichen Einfluss.

Bis zu 180.000-Tonnen-Schiffe können am Kohlehafen

von Hay Point

beladen werden. Hier findet sich wieder so ein technisches Wunderwerk:

Den Fluss der Kohle lenkt ein einziger Mann, er steuert sogar die

fünf

Kilometer entfernten Schaufelbagger auf dem Festland. Die stammen zum

Teil aus deutscher Produktion.

“Ich mache einfach weiter Kohle”

Das alles freilich macht nur Sinn, solange China und

Indien

massenhaft Kohle brauchen. Australien ist abhängig vom Weltmarkt.

“Sehr

abhängig”, sagt Paul. “Unsere Rohstoffe werden in Dollars bezahlt,

wir

hängen ab von der Weltwirtschaft, und davon, dass die

Wachstumsraten so

hoch bleiben.”

Eigene Technik zu entwickeln ist eben schwierig: Dieses

Land ist so

groß wie die USA, aber es hat nur 20 Millionen Menschen. “Ja”,

sagt er,

“mit eigener Industrie Mehrwert zu schaffen, wäre sinnvoll. Aber

das

sollen andere entscheiden, ich mache einfach weiter Kohle.”

Australien boomt, solange China boomt. Aber wenn

weltweit die

Rohstoffpreise sinken, wie es schon so oft passiert ist, dann steht

Australien vor der Pleite.

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