RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 09.03.07

GIPFEL-STREIT

EU ringt um Klima-Kompromiss

– Merkel muss in Nachspielzeit

Von Carsten Volkery , Brüssel

EU-Ratspräsidentin Angela

Merkel hat im Ringen um eine neue europäische Klimapolitik zunächst

nur einen Teilerfolg geschafft. Die Treibhausgase sollen bis 2020 um ein

Fünftel reduziert werden – doch der Streit um die erneuerbaren Energien

dauert an, die Nacht der Kanzlerin wurde kurz. Am Morgen wurde ein verbindlicher

Beschluss vorgelegt.

Brüssel – Das traditionelle

Kamingespräch mit Journalisten in der Brüsseler Nacht hatte Angela

Merkel schon frühzeitig abgesagt. Eine weise Entscheidung: Denn die

Ratspräsidentin hatte bis tief in die Nacht alle Hände voll zu

tun. Die Gespräche über das erste gemeinsame EU-Konzept gegen

den Klimawandel zogen sich in die Länge. Schon das Abendessen der

27 Staats- und Regierungschefs begann mit Verspätung, zur Pressekonferenz

erschien Merkel erst um 23.20 Uhr.

Die Kanzlerin konnte dann

nur einen Teilerfolg mitteilen: Man habe sich darauf geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen

bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Doch in der Frage

der erneuerbaren Energien waren die Gespräche festgefahren. Merkel

sagte, sie sei “nicht ohne Hoffnung”, dass man am Freitag zu einem Kompromiss

kommen werde.

Am Morgen wurde dann ein

verbindlicher Beschluss vorgelegt. Zwar solle der Anteil erneuerbarer Energien

am Verbrauch bis 2020 auf 20 Prozent steigen, heißt es in dem Entwurf

für die Schlusserklärung. Doch müsse man flexibel sein,

wie die Mitgliedsländer dieses Ziel erreichen. Dabei sollten die unterschiedlichen

Ausgangsbedingungen der Staaten berücksichtigt werden.

Mehrere Staaten sperren sich

dagegen, den Anteil der erneuerbaren Energien am EU-Energiemix auf 20 Prozent

im Jahr 2020 festzuschreiben. Im Moment liegt er bei 6,5 Prozent. Der dänische

Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen sagte SPIEGEL ONLINE: “Es

gibt viel Widerstand. Es wird sehr schwierig, einen Kompromiss zu erreichen.”

Zwar hatte der schwedische

Ministerpräsident gegen 22 Uhr schon einen Durchbruch verkündet,

doch erwies sich dies als verfrüht. Nur drei Länder seien gegen

den Plan, hatte Fredrik Reinfeld gesagt. Man habe sich auf ein verbindliches

Ziel geeinigt und wolle die Details später ausarbeiten.

“Signifikante Zahl” an Kompromiss-Gegnern

Doch war die Zahl der Skeptiker

in Wirklichkeit weitaus höher. Die Rede war von zehn oder mehr. Rasmussen

sagte SPIEGEL ONLINE, es sei eine “signifikante Zahl”. Merkel mache aber

einen “exzellenten Job”, sie sei sehr versiert in den Details. Das sei

wichtig, denn “der Teufel steckt im Detail”.

Die deutsche Kanzlerin sagte

auf der Pressekonferenz, es gebe noch Diskussionsbedarf. Sie machte sich

Mut mit dem Hinweis, die Zahl der Gegner sei “nicht gewachsen”. Gesunken

war sie demnach allerdings auch nicht.

Nach Angaben einiger Diplomaten

gelang es Merkel immerhin, den Hauptkritiker Jacques Chirac auf ihre Seite

zu ziehen. Der französische Präsident rückte zumindest von

seiner Forderung ab, unter die erneuerbaren Energien wie Wasser, Wind und

Sonne auch “kohlenstoffarme Energien” wie die Atomkraft fassen zu können.

Frankreichs Energiemix hat traditionell einen hohen Anteil an Kernenergie.

Merkel hatte ausgeschlossen, die Atomkraft als erneuerbare Energie zu klassifizieren.

Neben Frankreich scheuen

auch mehrere osteuropäische Staaten die Kosten für einen Ausbau

der erneuerbaren Energien und fürchten wirtschaftliche Nachteile.

Deutschland selbst kann nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums

bis 2020 lediglich einen Anteil von 16 Prozent erreichen, so dass andere

Länder deutlich mehr leisten müssten, um den Durchschnittswert

von 20 Prozent zu erreichen.

Merkel appellierte noch einmal

an die Mitgliedsstaaten: Die “Glaubwürdigkeit” der EU stehe auf dem

Spiel. Allerdings gab sie zu, es sei schwierig, ein verbindliches Ziel

für den Energiemix festzulegen, so lange die Lastenverteilung unter

den Mitgliedstaaten nicht klar sei.

 

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