RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
FAZ

online 08.03.07

Wie kommt die dritte industrielle

Revolution in Gang?

Von Ottmar Edenhofer

Weil die Atmosphäre

kostenlos ist, konnten sich viele Innovationen nicht durchsetzen

Welchen Wert hat die Erde?

Welchen Preis der Klimaschutz? Bislang haben die Ökonomen darauf eine

eindeutige Antwort gegeben, die vielen Umweltschützern als zynisch

erschien: Die Schäden des Klimawandels seien gering, die Kosten des

Klimaschutzes zu hoch. Den Einwand, die Erde habe einen Wert, der sich

nicht in Geld messen ließe, haben Ökonomen nicht gelten lassen.

Denn Klimaschutz, behaupteten

sie, bedeute Verzicht auf Wirtschaftswachstum, was sich besonders gegenüber

den Entwicklungsländern nicht rechtfertigen lasse. Der Verlust der

Artenvielfalt, die Zerstörung von Korallenriffen oder die Zunahme

von Dürren fielen weniger ins Gewicht als der Verlust von Wirtschaftswachstum,

der mit Hunger, Krankheiten und mangelnder Bildung einhergehe. Eine ambitionierte

Klimapolitik, die auf drastische Verminderungen der Treibhausgasemissionen

setzt, sei daher nicht angeraten.

Schäden sind höher

als bisher vermutet

Dieses Bild ist aus zwei

Gründen von der Realität eingeholt worden: Die Schäden eines

ungebremsten Klimawandels sind höher als bisher vermutet. Es hat sich

aber auch gezeigt, dass die Kosten der Verminderung von Emissionen wesentlich

geringer eingeschätzt werden können, als dies noch vor wenigen

Jahren der Fall war.

Vor allem amerikanische Ökonomen

haben gezeigt, dass der Anstieg der globalen Mitteltemperatur weltweit

höhere Schäden verursacht als bisher angenommen. Darüber

hinaus konnten in den vergangenen Jahren Schwellenwerte im Erdsystem identifiziert

werden, deren Überschreiten zu dramatischen Folgen führt: Die

Versauerung der Ozeane und das Austrocknen des Regenwaldes infolge des

Klimawandels könnten die Erderwärmung noch weiter beschleunigen.

Darum raten viele Wissenschaftler,

den Anstieg der globalen Mitteltemperatur gegenüber dem vorindustriellen

Niveau möglichst auf zwei Grad zu begrenzen. Auch Ökonomen könnten

sich mit diesem Vorsichtsprinzip anfreunden, wenn gezeigt werden kann,

dass dies zu akzeptablen Kosten machbar ist.

Ambitionierte Forschungsförderung

vonnöten

Neuere Untersuchungen unseres

Instituts, die der britische Regierungsberater Stern in seinem Klima-Bericht

mehrfach zustimmend zitiert und die auch im Vierten Sachstandsbericht des

IPCC ausführlich diskutiert werden, zeigen, dass die Kosten des Klimaschutzes

beträchtlich nach unten korrigiert werden müssen.

Mit weniger als einem Prozent

des weltweiten Wirtschaftswachstums lässt sich das Zwei-Grad-Ziel

erreichen, was darauf hinausliefe, dass sich das Wirtschaftswachstum im

21. Jahrhundert lediglich um wenige Monate verzögerte. Dies ist dann

der Fall, wenn die Politik Innovationen mobilisieren kann, wozu eine ambitionierte

Forschungsförderung vonnöten ist.

Die Kosten und Risiken verschiedener

Energiestrategien müssen daher im Lichte ihres innovativen Potentials

bewertet werden. Dabei dreht sich der Streit um vier große energiepolitische

Optionen: Einsatz der Nuklearenergie; Priorität für erneuerbare

Energieträger; Abscheidung von Kohlenstoff und seine Deponierung im

geologischen Untergrund; und die Energieeffizienz.

Ausbau des schnellen Brüters

Die Nuklearenergie ist unserer

Auffassung nach keine notwendige Option für den globalen Klimaschutz.

Zurzeit tragen 435 Leichtwasserreaktoren 17 Prozent zur weltweiten Stromproduktion

bei. In den nächsten drei Dekaden wird sich die globale Stromproduktion

mindestens verdoppeln. Um den Anteil der Nuklearenergie an Stromproduktion

auch nur konstant zu halten, müssten weitere 400 Leichtwasserreaktoren

gebaut werden – geplant sind im Augenblick lediglich achtundzwanzig.

Die Nuklearenergie kann nur

dann eine bedeutende Rolle spielen, wenn es zu einem erheblichen Ausbau

des schnellen Brüters käme, da durch diese Technologie die begrenzten

Uranvorräte effektiver genutzt und ein Preisanstieg von Uran vermindert

werden und die Endlagerproblematik entschärft werden könnte.

Es gibt aber in den OECD-Staaten keinen politischen Konsens über den

Einstieg in eine Plutoniumwirtschaft und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken.

Solarenergie in Andalusien

– Wind in Schottland

Unsere Berechnungen haben

ergeben, dass auf diese Option verzichtet werden kann, wenn ausreichend

in den technischen Fortschritt bei erneuerbaren Energieträgern investiert

wird. Solarenergie, Biomasse, Wind, Wasser und Geothermie haben ein erhebliches

Potential bei der Primärenergieversorgung. Im Stromsektor könnten

Wind, Biomasse und Sonnenenergie bereits 2030 einen Anteil von dreißig

Prozent erreichen. Auch im Transportsektor können Biokraftstoffe der

zweiten Generation eine erhebliche Rolle spielen, um Öl zu ersetzen.

Es ist zwar richtig, dass

die erneuerbaren Energieträger heute, mit Ausnahme der Windenergie,

gegenüber den fossilen Energieträgern noch nicht konkurrenzfähig

sind. Die Kosten werden jedoch durch Massenproduktion fallen und durch

eine geschickte regionale Schwerpunktsetzung. So kann Solarenergie besonders

effizient in Andalusien genutzt werden, Wind etwa in Schottland und Biomasse

in Deutschland und Polen.

Falls es zu keiner ambitionierten

Klimapolitik kommen sollte, werden sowohl die Vorkommen von Steinkohle,

Braunkohle und Erdgas weiter extensiv genutzt. Dabei kann die Kohle nicht

nur zur Verstromung eingesetzt werden, durch Verflüssigungsverfahren

lassen sich auch Treibstoffe herstellen. Die Kohleoption kann jedoch nur

dann klimaverträglich genutzt werden, wenn die Abscheidung von Kohlenstoff

und seine Deponierung im Untergrund möglich wird.

Atmosphäre nicht länger

kostenlos

Die bisher diskutierten Optionen

setzen beträchtliche technische und institutionelle Innovationen voraus.

Die Energieeffizienz aber lässt sich am schnellsten erhöhen.

Bereits heute lassen sich durch Wärmedämmung an Gebäuden

und die Erhöhung der Brennstoffeffizienz bei Fahrzeugen betriebswirtschaftliche

und volkswirtschaftliche Gewinne erzielen. Bei ambitionierten Klimaschutzzielen

führt aber an einem massiven Ausbau erneuerbarer Energien kein Weg

vorbei.

Wichtig ist, dass die Atmosphäre

nicht länger kostenlos genutzt werden darf. Technisch freigesetztes

Kohlendioxid muss am besten weltweit einen Preis bekommen. Weil das bisher

nicht so ist, konnten sich viele Innovationen bisher auf dem Markt nicht

durchsetzen. Ein Preis entsteht dann, wenn es Erlaubnisscheine für

die Freisetzung von Kohlendioxid gibt, mit denen gehandelt werden kann.

Die Politik setzt eine Obergrenze für Emissionen fest, die nicht überschritten

werden darf. Der Preis entspricht dann den volkswirtschaftlichen Kosten

der Emissionen.

Innovatoren des Klimaschutzes,

die über billige Verfahren verfügen, um Emissionen zu vermindern,

können ihre Rechte am Markt verkaufen und damit Gewinne einfahren.

Der Emissionshandel kann jedoch nur dann ausreichend Innovationen mobilisieren,

wenn die Emissionsrechte nicht verschenkt, sondern versteigert werden.

Erst durch die Auktion von Emissionsrechten werden die Betreiber von Kraftwerken

gezwungen, ihre Investitionsrechnungen zu überdenken. Erst ein globaler

Markt für Emissionsrechte wird die Such- und Lernprozesse auslösen,

die für eine dritte industrielle Revolution notwendig sind.

 

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