RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Süddeutsche

online 04.05.07

Weltrettung hat ihren

Preis

Von Hendrik Leber

In einer ganzen Serie von

Berichten und zwei wichtigen unabhängigen Fachgremien, dem Weltklimarat

IPCC und der Gruppe um den ehemaligen Chefökonomen der Weltbank, Nicholas

Stern, sind der Einfluss des Menschen auf das Weltklima bestätigt

und die damit verbundenen Risiken beziffert worden. Am heutigen Freitag

nun wird das IPCC in Bangkok seinen dritten von vier Teilberichten veröffentlichen,

in dem die globalen Kosten für eine mögliche Minderung der Klimaerwärmung

durchgespielt werden.

Fest steht bereits: Selbst

wenn alle Kraftwerke morgen abgeschaltet werden, erwärmt sich die

Erdatmosphäre weiter. Dieser Langzeiteffekt kann durch den Menschen

modifiziert, aber nicht mehr aufgehalten werden. Da aber die Kraftwerke

weiter laufen und die Autos weiter fahren, beschleunigt sich die Erwärmung

weiter.

Fest steht auch: Die Kosten

der Klimaveränderungen sind, wenn nichts getan wird, hoch. Sie betragen

im Laufe der nächsten Jahre mehr als fünf Prozent des Bruttosozialprodukts

und können bis zu fünfunddreißig Prozent erreichen. Wollen

wir das Schlimmste vermeiden und die Klimakrise in den Griff bekommen,

liegen die Kosten für die Volkswirtschaft bei etwa einem Prozent des

Bruttosozialprodukts.

Schottischer Hochland-Cabernet

Da Kosten und Nutzen des

Klimaschutzes ungleich verteilt sind, wird der Weg zu einer Lösung

mit schwierigen Diskussionen zur „Gerechtigkeit“ begleitet werden. Es gibt

erprobte marktwirtschaftliche Mechanismen, die Verschmutzungsproblematik

kostengünstig in den Griff zu bekommen. Als Kosten zu berücksichtigen

sind dabei die zurückgehenden Nahrungserträge in vielen Regionen,

der Anstieg des Meerwassers, Hitzewellen, Wirbelstürme, Waldbrände,

Überflutungen sowie eine Vielzahl von ausgerotteten Tieren und Pflanzen.

Wenn sich der Weizenanbau

wie prognostiziert um fünfhundert Kilometer nach Norden verschiebt,

wenn der Reisanbau in manchen Regionen nicht mehr möglich ist, wenn

statt Chianti aus Italien schottischer Hochland-Cabernet getrunken wird,

entstehen hohe Verlagerungskosten.

Die Hälfte des Deutschen

Bruttosozialprodukts

Allein die Kosten von extremen

Wetterereignissen haben sich in den letzten fünfzig Jahren in jeder

Dekade etwa verdoppelt. Sie lagen laut IPCC im letzten Jahrzehnt bei rund

vierzig Milliarden Dollar pro Jahr. In weiteren fünf Jahrzehnten könnten

sie bei mehr als einer Billion Euro liegen. Das entspräche knapp der

Hälfte des heutigen deutschen Bruttosozialprodukts und knapp drei

Prozent des aktuellen Weltbruttosozialprodukts. Der Betrag entspricht etwa

auch dem aktuellen Aufkommen aus der Mehrwertsteuer.

Damit sind aber nur die Katastrophenschäden,

nicht die Kosten der alltäglichen Veränderungen abgedeckt. Und

auch diese Kosten steigen, sie verdoppeln sich etwa alle zehn Jahre. Der

Stern-Report schätzt die Kosten bei einem mittleren Szenario in den

nächsten hundert Jahren auf zunächst rund ein Prozent des Bruttosozialprodukts,

im weiteren Verlauf bis 2200 auf fünf bis vierzehn Prozent, wobei

die Bandbreiten der Schätzungen in extremen Szenarien sogar bis auf

35 Prozent des Bruttosozialprodukts reichen.

Umstieg auf Energiesparlampen

Was die Lösungsvorschläge

angeht, gibt es grundsätzlich drei – miteinander kombinierbare – Wege

zur Lösung des Problems: konventionelles Sparen, Entsorgen des Kohlendioxids

und Vermeidung der Kohlendioxidemissionen durch Umstellung auf Atomwirtschaft.

Den ersten Weg hat McKinsey analysiert: Senkung des Energieverbrauchs auf

konventionellem Weg. In seiner aktuellen Studie ist dafür eine sogenannte

Kostenkurve erstellt worden. McKinsey beginnt mit den billigsten Maßnahmen

und zeigt, dass eine Verringerung von sechs Milliarden Tonnen Kohlendioxid

durch Maßnahmen mit positivem Ertrag erzielt werden könnten.

Kostenlos gewissermaßen.

Zum Beispiel durch den Umstieg

auf Energiesparlampen: Der Kauf erfordert zwar eine Ausgabe, rechnet sich

aber durch die Stromeinsparung. Ähnliches gilt für die Verbesserung

der Energieeffizienz von Autos, die knapp drei Milliarden Tonnen Kohlendioxid,

und für die Gebäudeisolierung, die 3,7 Milliarden Tonnen erzeugen.

Fast mühelos hätten wir das erste Viertel der Einsparungswegstrecke

zurückgelegt.

Als Nächstes folgen

nach den kostenlosen die preiswerten Maßnahmen. Aufforstungsprojekte

könnten helfen, knapp 6,7 Milliarden Tonnen der Treibhausgase einzusparen,

in der Landwirtschaft liegt ein Potential von rund 1,5 Milliarden Tonnen.

Schließlich folgen die investitionsintensiven Projekte in der Stromerzeugung

und der Industrie. Die Wirkungsgrade von Kraftwerken könnten von durchschnittlich

35 auf 45 Prozent gesteigert werden. Durch den vollständigen Verzicht

auf die Steinkohle und Umstellung auf Gas würde der Kohlendioxidausstoß

um 41 Prozent in diesem Sektor vermindert. Das erfordert aber Investitionen.

Bezahlbare Maßnahmen

Auch all das, was wir unter

regenerativen Energien verstehen, findet sich in dem Katalog konventioneller

Maßnahmen. Es gibt hier keine magische Lösung. Weder Windenergie,

Sonnenstrom noch Bioethanol alleine können unsere Probleme lösen.

Sie zählen zu den Maßnahmen, die nach Kosten-Nutzen-Abwägung

bewertet werden und im Kontext eines Gesamtkatalogs gesehen werden müssen.

Im Durchschnitt aller Maßnahmen

dürften die Kosten der konventionellen Maßnahmen bei rund 15

bis 20 Euro pro Tonne liegen. Das wären alles in allem etwa 400 Milliarden

Euro pro Jahr, deutlich weniger als die erwarteten Schäden des Nichtstuns.

Die Summe entspricht etwa einem Prozent des Weltbruttosozialprodukts. Und

dies wiederum entspricht etwa fünf Prozentpunkten bei der Mehrwertsteuer.

Das ist bezahlbar.

Milliarden Tonnen Gas verschwinden

lassen

Was die Entsorgung des Kohlendioxids

als zweite Lösungsvariante angeht, verbrennen wir zwar weiterhin fossile

Brennstoffe, reinigen aber den entstehenden „Schmutz“, also das Kohlendioxid,

aus der Abluft. Heute werden laut IPCC weltweit aus 4942 größeren

Kraftwerken 10,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Luft gepustet. Hinzu

kommen noch rund 3000 weitere stationäre Quellen,beispielsweise Zementfabriken,

Raffinerien oder Stahlwerke, mit weiteren rund drei Milliarden Tonnen Kohlendioxid.

Wie lässt man dreizehn

Milliarden Tonnen Gas verschwinden? Man braucht dazu neuartige Kraftwerke,

und man braucht Stauraum. Das Kohlendioxid wird bei der Stromerzeugung

aus der Luft ausgewaschen, verflüssigt und in Bergwerksstollen oder

in die Tiefsee eingeleitet. Die Techniken für diese „Sequestrierung“

sind in der Erprobung, etwa bei der Erdgasförderung im norwegischen

Sleipner-Feld.

Zwei deutsche Stromkonzerne

planen ebenfalls solche Kraftwerke. Pro Tonne Kohlendioxid, die verschwinden

soll, muss man heute mit Kosten von etwas mehr als zwanzig Euro rechnen.

Hinzu kommen Transport- und Einlagerungskosten. Die Gesamtkosten liegen

der Internationalen Energieagentur zufolge bei 350 bis 440 Milliarden Dollar

pro Jahr.

Keine andere Wahl

Der dritte Lösungsweg,

die Umstellung auf die Atomwirtschaft, würde zur Schließung

aller fossilen Kraftwerke führen. Würde man die Kapazität

der heutigen 438 Kernkraftwerke versechsfachen und die Stromerzeugung der

Welt vollständig – heute sind es 15,7 Prozent – auf Atomtechnik umstellen,

würden weitere 2800 Kraftwerke benötigt. Bei Investitionen von

etwa 1,5 Milliarden Euro pro Kraftwerk kostet diese Kapazitätsumschichtung

4200 Milliarden Euro. Umgelegt auf die mehr als rund dreißig Jahre

Lebensdauer eines Kraftwerks, sind dies rund 140 Milliarden Euro pro Jahr.

Hinzu kommen kalkulatorische

Zinsen von mindestens 200 Milliarden Euro pro Jahr, so dass hier ein Betrag

von rund 340 Milliarden Euro pro Jahr herauskommt. Das bedeutet: Alle drei

Ansätze – konventionelles Handeln, Kohlendioxid einlagern, auf Kernkraft

umstellen – kommen zu ähnlichen Größenordnungen der Kosten

von etwa einem Prozent des Bruttosozialprodukts. Sollten wir uns dies leisten?

Wahrscheinlich ja. Wir haben auch keine andere Wahl.

Emissionshandel ist der richtige

Weg

Wir sollten dabei aber auf

die Gesetze des Marktes vertrauen. Die Amerikaner haben es schon früh

vorgemacht: mit einer fixen Obergrenze für die atmosphärischen

Verschmutzungsrechte und mit einer damit verbundenen Auktion um die knappe

Ware „Verschmutzung“. Auf diese Weise wurden seit 1995 die für den

sauren Regen verantwortlichen Schwefeldioxidemissionen etwa halbiert.

Auch der Emissionshandel

für Kohlendioxid ist der richtige Weg. Die Politik gibt die Menge

vor, der Markt bestimmt den Preis, und in einer funktionierenden Volkswirtschaft

werden zuerst die leichten, billigen Maßnahmen angegangen, denen

dann die teureren Maßnahmen folgen. Weitergehende Gesetze sind unnötig.

Wichtig ist nur ein möglichst

weltumfassendes System und eines, in dem unterschiedliche Verursachungstypen

und -quellen einheitlich zusammengefasst sind. Die bisher kostenlose Ware

„saubere Luft“ erhält dann einen verdienten und weltweit einheitlichen

Preis.

Der Autor ist Anlageberater

und Investmentfondsmanager in Frankfurt am Main.

 

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