RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 23.04.07

MEHR STÜRME

Singapur will sich mit Deichen

aus Holland schützen

Klein, flach, von Meer umgeben

– Singapur fürchtet sich vor schlimmeren Stürmen und Fluten.

Jetzt sollen Niederländer mit Deichen dem südostasiatischen Stadtstaat

eine trockene Zukunft sichern. US-Forscher warnen: Weltweit leben eine

Milliarde Menschen in Gebieten mit Überschwemmungsgefahr.

Singapur/San Francisco –

Nordseedeiche aus den Niederlanden sollen Singapur trocken halten. Der

Stadtstaat fürchtet um seine Zukunft angesichts eines steigenden Meeresspiegels

sowie mehr und kräftiger Stürme in Südostasien. Wie die

Zeitung “New Strait Times” berichtet, verhandelt die Regierung mit holländischen

Deichbauern. “Wir haben mit den Niederländern schon gesprochen”, sagte

der Staatsgründer Lee Kuan bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung.

“Wenn das Wasser steigt, und wir dann erst anfangen zu lernen, ist es zu

spät.”

AFP / EDB

Hafen von Singapur: 63 Inseln

knapp über dem Meerespiegel – der Stadtstaat fürchtet sich vor

Stürmen und Flutwellen

Die niederländische

Firma Delft Hydraulics hat in Singapur zusammen mit der dortigen National

University bereits ein Forschungszentrum aufgebaut und ist gegenwärtig

am Bau eines Damms für einen neuen Wasserspeicher beteiligt.

Viele Bereiche der 63 Inseln,

aus denen Singapur besteht, liegen tief. Außerdem betreibt der kleinste

Staat Asiens ein ambitioniertes Programm, um dem Meer neue Siedlungs- und

Gewerbeflächen abzuringen – die dann auch nur wenige Meter über

dem Meeresspiegel liegen. Selbst der höchste Berg Singapurs, der Bukit

Timah Hill, ist mit 166 Metern nicht viel mehr als eine Klippe der malaiischen

Halbinsel.

Sorge vor den extremen Folgen

überschaubaren Anstiegs

Auch wenn zum Teil mit stark

übertrieben Zahlen gearbeitet wird, stimmen Forscher darin überein,

dass der Meeresspiegel weiter ansteigen wird. Im globalen Durchschnitt

prognostiziert der jüngste Bericht des Weltklimarats rund 20 bis 70

Zentimeter. Lokal jedoch könnten die Werte größer ausfallen.

Nach den Berechnungen von

Klimaexperten könnte das Schmelzen der Eiskappen an den Polen den

Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um mehrere Meter steigen lassen.

Dass es noch dieses Jahrhundert vier bis sechs Meter werden könnten,

wie manche Forscher glauben, ist indes eine extreme Prognose.

Bei seltenen Wettereignissen

wie Stürmen und Sturmfluten stellen aber schon geringe Anstiege des

Meeresspiegels erhebliche Risiken dar. Erst Ende März hatten Londoner

Forscher Berechnungen vorgestellt, nach denen die küstennahen Mega-Citys

der Welt durch Flut- und Sturmkatastrophen bedroht sind.

Eine Milliarde Menschen leben

im 30-Meter-Bereich

Bei einem Treffen der Association

of American Geographers hatte ein Team um den Forscher Lynn Usery vom US

Geological Survey jetzt eine grobe Berechnung über das Ausmaß

der Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel vorgestellt: Demnach würde

ein Anstieg um fünf Meter 669 Millionen Menschen weltweit betreffen.

Bei solchen Projektionen

handelt es sich allerdings um Szenarien zu lokalen und akuten – und kurzfristigen

– Überflutungen. Usery argumentierte am Beispiel des Tsunamis im Indischen

Ozean vom Jahresende 2004. Damals hätten die höchsten Wellenspitzen

30 Meter erreicht. Zwischen 0 und 30 Metern über dem Meeresspiegel

lebten eine Milliarde Menschen weltweit. Bei einer vergleichbaren Katastrophe

wären sie entsprechend in Gefahr.

“Eine 30-Meter-Welle über

Florida würde den gesamten Staat überdecken, von einem kleinen

Plateau abgesehen”, sagte der Forscher. Für seine Berechnungen hatte

er Höhen- und Bevölkerungskarten in einem neuartigen Rechenmodell

verbunden.

Bei dieser Arbeit blieben

allerdings Deiche, Dämme und Schutzmauern unberücksichtigt. In

Userys Präsentation versank folglich schon bei einem hypothetischen

Anstieg von nur zwei Metern ein Großteil der Niederlande in der Nordsee

– angesichts der Meisterschaft der Holländer im Deichbau eine naive

Vorstellung. Das wird sich wohl auch die Regierung von Singapur gedacht

haben.

 

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