RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 22.05.07

KLIMAWANDEL-AUSSTELLUNG

US-Museum soll sich selbst

zensiert haben

Das Naturkundemuseum der

renommierten Smithsonian Institution in den USA soll Selbstzensur geübt

haben. Um den US-Kongress und das Weiße Haus nicht zu verärgern,

sei eine Schau über den Klimawandel in Alaska entschärft worden,

warf der Kurator der Museumsleitung vor.

Washington – “Ein Freund,

der sich seltsam verhält” lautete der Titel einer Ausstellung über

den Klimawandel in der Arktis (“Arctic: A Friend Acting Strangely”). Über

das Motto der Schau im renommierten Smithsonian’s National Museum of Natural

History in der US-Hauptstadt Washington kann man streiten. Dass sie ein

wichtiges Thema anschneidet, ist hingegen unstrittig. Spüren doch

die Bewohner des US-Bundesstaats Alaska, ebenso wie die Kanadas, Grönlands

und Sibiriens längst, wie sich ihre Heimat verändert.

AP

Naturkundemuseum in Washington:

Übte die Smithsonian Institution Selbstzensur?

Das Thema ist politisch

hochbrisant. Schon haben Ureinwohner der Arktis die US-Regierung verklagt,

weil sie nicht genug gegen den Ausstoß von Klimagasen unternehme.

Tierschützer haben den bedrohten Eisbären zur Ikone für

die Umweltfolgen des Klimawandels (mehr…) auserkoren. Und in Alaska müssen

die ersten Siedlungen umziehen (mehr…). Ein aktuelles, lebensnahes Thema

für ein Naturkundemuseum also.

Doch nachdem “Arctic” im

April 2006 mit sechsmonatiger Verspätung eröffnet worden war

(die Ausstellung dauerte bis November 2006), schied ihr Kurator Robert

Sullivan aus. Mit der Kündigung habe er einer Versetzung zuvorkommen

wollen, sagte Sullivan nun zu Reportern. Er wirft der Museumsleitung vor,

bei der Vorbereitung zur Arktis-Ausstellung Selbstzensur geübt zu

haben: Aus politischen Gründen seien Aussagen abgeschwächt haben.

Unter anderem, sagte Sullivan,

seien Grafiken geändert worden, “um zu zeigen, dass sich die globale

Erwärmung auch in die andere Richtung entwickeln kann”. Außerdem

sei der offizielle Text zur letztjährigen Ausstellung so geändert

worden, dass darin der Einfluss des Menschen auf die globale Erwärmung

unsicherer erschienen sei. Sullivan verglich seinen Versuch, ernsthafte

Wissenschaft ohne Verharmlosung in die Ausstellung einzubringen, als nervenaufreibendes

Unterfangen.

Selbstzensur aus Angst vor

dem Weißen Haus?

Die Smithsonian-Leitung wies

die Vorwürfe zurück und erklärte, die Änderungen seien

aus Gründen der Objektivität erfolgt. Mehrere beratende Wissenschaftler

seien nicht der Ansicht gewesen, dass etwas Wesentliches unterschlagen

worden sei.

Sullivans Vorwurf an seine

ehemaligen Vorgesetzten lautet nun Selbstzensur. Seines Wissens habe kein

Mitglied der Bush-Regierung Druck auf die Smithsonian Institution ausgeübt.

Direkter Einfluss von Seiten

des Weißen Hauses war allerdings in den letzten Jahren von Klimaforschern

angeprangert worden. Unter anderem hatte Nasa-Forscher James Hansen von

Versuchen berichtet, ihn mundtot zu machen (mehr…). Ende vergangenen

Jahres protestierten 10.000 Wissenschaftler, die in der Union of Concerned

Scientists organisiert sind, gegen Gängelungen durch die Bush-Regierung.

Sie machten eine Liste mit Beispielen von A-Z öffentlich (mehr…).

Wollten die Smithsonian-Oberen

in diesem Meinungsklima einen Konflikt mit der offiziellen Linie der US-Regierung,

die den Einfluss des Menschen auf das Klima lange vollständig bestritt,

vermeiden?

Schon früher Kritik

wegen politischer Rücksichtnahme

Die Smithsonian Institution

mit ihrem Jahresbudget von umgerechnet 820 Millionen Euro wird überwiegend

aus Steuermitteln finanziert. Die Sorge um die nächste staatliche

Förderung sei so stark gewesen, sagte Sullivan, “dass alles, was den

Kongress oder das Weiße Haus hätte verärgern können,

ganz genau unter die Lupe genommen wurde.” Kristen Hellmer, Sprecherin

des Weißen Hauses, sagte: “Das Weiße Haus hat in dieser Ausstellung

keine Rolle gespielt.”

Es ist nicht das erste Mal,

dass die Smithsonian Institution sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, politischen

Erwägungen einen Einfluss auf Ausstellungen einzuräumen:

    * 1995

reagierte sie auf Beschwerden von Hiroshima-Veteranen, die kritisiert hatten,

bei einem Ausstellungsstück – dem B-29-Bomber “Enola Gay”, der die

erste Atombombe abwarf – seien die Aspekte Leid und Zerstörung überbetont.

Die Ausstellung wurde daraufhin entschärft.

    * Während

der politischen Debatte um Ölbohrrechte im US-Bundesstaat Alaska im

Jahr 2003 verlegte das Museum eine Fotoausstellung über das Arctic

National Wildlife Refuge in weniger prominente Räumlichkeiten.

Ex-Kurator Sullivan beschuldigte

unter anderem den damaligen Museumsdirektor Christian Samper. Dieser antwortete

der Nachrichtenagentur AP in einer E-Mail: “Unsere Rolle als Museum ist

es, die Tatsachen darzustellen, aber nicht einen speziellen Standpunkt.”

Randall Kremer, Sprecher des Natural History Museum, sagte: Atmosphärenforschung

gehöre nicht zur Expertise des Museums, daher habe man die Frage vermieden,

was den Wandel in der Arktis verursache.

 

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