RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 20.06.07

TREIBHAUSGAS

China soll USA beim CO2-Ausstoß

schon überholt haben

China wird die USA bald als

weltgrößter Kohlendioxid-Verursacher ablösen – so hieß

es bisher. Doch neuen Schätzungen zufolge ist das schon geschehen.

Und schlimmer noch: Wegen China steigt der globale CO2-Ausstoß schneller

als der Energieverbrauch.

Früher als gedacht hat

China den unrühmlichen Spitzenplatz der größten Kohlendioxid-Emittenten

erreicht, sollten die Zahlen von Wissenschaftlern des niederländischen

Forschungsinstituts Milieu- en Natuurplanbureau (MNP) stimmen. Demnach

überstieg Chinas CO2-Ausstoß bereits im vergangenen Jahr den

des bisherigen Spitzenreiters, der USA. Das MNP ist Auftragnehmer des niederländischen

Umweltministeriums sowie internationaler Organisationen.

Die Nachricht kommt durchaus

überraschend. Erst im April hatte Fatih Birol, der Chefökonom

der Internationalen Energieagentur (IEA), den Führungswechsel in der

Rangliste der CO2-Emittenten für 2007 vorhergesagt. (mehr…). Nach

absoluten Ausstoßzahlen wäre China somit spätestens 2008

eindeutiger Spitzenreiter.

Allerdings ist die Berechnung

der online verfügbaren Studie der Niederländer vorläufig.

Sie stützt sich auf eine Analyse der Verbrennung fossiler Energieträger

sowie der Zementproduktion des Jahres 2006. Der Mineralölkonzern BP

hatte diesen Monat eine Studie zum weltweiten Verbrauch von Öl, Gas

und Kohle des Jahres 2006 vorgestellt. Die Zement-Zahlen erhielt das MNP

vom US Geological Survey. Bei der Herstellung des Baustoffs werden große

Mengen Energie verbraucht – und entsprechend CO2 freigesetzt. China hat

einen Anteil von über zwei Fünfteln der weltweiten Zementproduktion.

Andere Treibhausgase wie etwa Methan aus der Landwirtschaft gingen nicht

in die Berechnung mit ein.

China soll bereits acht Prozent

vor den USA liegen

“Es werden Unsicherheiten

über die genauen Zahlen bestehen bleiben”, sagte Jos Olivier, ein

Wissenschaftler am MNP. “Aber dies ist die beste und aktuellste Abschätzung,

die zur Zeit verfügbar ist.” Demzufolge stieß China im vergangenen

Jahr bereits acht Prozent mehr CO2 aus als die USA, 2005 waren es noch

zwei Prozent weniger gewesen.

Im Vergleich zum Vorjahr

seien die chinesischen CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen 2006 um

neun Prozent gestiegen. In den USA sei der Kohlendioxidausstoß im

gleichen Zeitraum hingegen um 1,4 Prozent gesunken. Die Werte für

die Europäische Union – in ihrem alten Zuschnitt aus 15 Staaten –

seien derweil mehr oder weniger konstant geblieben.

Nordamerika sei die einzige

Weltregion, in der im Lauf des Jahres 2006 der Kohlendioxid-Ausstoß

gesunken sei, so die Studie. Allerdings gilt auch für diese Aussagen

die Einschränkung, dass nicht alle Quellen von CO2-Emissionen und

auch keine anderen Treibhausgase berücksichtigt wurden. Es sei schwierig,

für so etwas aktuelle und verlässliche Werte zu erhalten, besonders

aus Entwicklungsländern, sagte Olivier. Insofern stellen die MNP-Berechnungen

nur einen Ausschnitt der Emissions-Realität dar, wenngleich einen

entscheidenden.

Mehr Energie aus dreckigen

Kraftwerken

Am gestrigen Dienstag hatte

der stellvertretende BP-Chefvolkswirt Christof Rühl aus dem Bericht

seines Konzerns zitiert: Die rasante Wirtschaftsentwicklung in den Schwellenländern

habe den weltweiten Kohleverbrauch stark ansteigen lassen. Verantwortlich

dafür sei vor allem China, das seinen Energiehunger mit billiger einheimischer

Kohle stille. Als Folge sei der globale CO2-Ausstoß in den vergangenen

fünf Jahren – also 2001 bis 2006 – um 3,4 Prozent jährlich gestiegen.

Das sei eine Verdreifachung der Zunahme im Vergleich zur vorherigen Fünfjahresperiode.

Besonders beunruhigend bei

der jüngsten Entwicklung: Die Daten im Weltenergiebericht von BP zeigen,

dass die CO2-Emissionen zur Zeit stärker steigen als der Primärenergieverbrauch

– die zuletzt für den Klimaschutz oft beschworene Energieeffizienz

also sinkt. Hauptgrund dafür sei unter anderem die schmutzige Verbrennung

in den Kraftwerken der Schwellenländer, so die BP-Studie. Auch hier

habe China wieder den größten Anteil. Dieser Trend sei erst

seit etwa 2001 zu beobachten. In den siebziger, achtziger und neunziger

Jahren sei noch kontinuierlich weniger CO2 pro Energieeinheit ausgestoßen

worden.

Solche mittel- und langfristigen

Entwicklungen sind für Wirtschaftsexperten und Klimaschützer

wichtiger als die Frage, wann genau ein Land ein anderes beim CO2-Ausstoß

überholt hat. Im Frühjahr hatte IEA-Wissenschaftler Birol nach

der Vorstellung seiner eigenen Schätzung dem Magazin “New Scientist”

gesagt: “Das Hauptproblem sind die langfristigen Aussichten. Im Jahr 2030

werden die Emissionen Chinas doppelt so schnell wachsen wie die Emissionen

aller OECD-Länder zusammengenommen.”

 

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