RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 07.07.07

LIVE EARTH

Klima-Konzerte verursachen

bis zu 110.000 Tonnen CO2

Die “Live Earth”-Konzerte

für den Kampf gegen den Klimawandel haben auch eine Kehrseite: Sie

werden etwa 60.000 bis 110.000 Tonnen zusätzliche CO2-Emissionen verursachen.

Den Löwenanteil machen die Besucher selbst aus – Licht und Sound hingegen

stören das Klima kaum.

Die “Live Earth”-Konzerte

dürften das größte Echtzeit-Spektakel in der Geschichte

des Internets sein (mehr…). Nur: Hunderttausende Zuschauer sehen sich

die Auftritte der internationalen Top-Stars nicht am heimischen PC, sondern

wirklich live an – und dafür setzen sie sich in Autos, Flugzeuge und

Züge. Auf knapp 60.000 bis über 110.000 Tonnen schätzen

Experten die Menge des klimaschädigenden Kohlendioxids, die durch

die “Live Earth”-Konzerte in die Atmosphäre gepustet wird.

“Die Höhe der Zahl hat

mich schon überrascht”, sagte Moritz Lehmkuhl von der Beratungsfirma

ClimatePartner aus München. Für SPIEGEL ONLINE hat er die Größe

der CO2-Bilanz von “Live Earth” überschlagen. Es ist eine grobe Schätzung,

betont er – aber die Größenordnung komme hin.

Die Emissionen für den

Transport von Künstlern, Publikum und Ausrüstung sowie durch

das Personal vor Ort – etwa Sicherheitskräfte, Feuerwehr, Catering

oder Reinigungskräfte – floss in diese Berechnungen ein. Anreise und

Übernachtungen haben die Experten anhand von Standardwerten nach Tagen

und Köpfen multipliziert – bis unter dem Strich eine beeindruckende

Zahl stand. “Mir war gar nicht bewusst, wie viele Leute da hinkommen”,

sagte Lehmkuhl.

Auch regionale Besonderheiten

wurden berücksichtigt: Geht man in Hamburg – optimistisch – von 45.000

erwarteten Besuchern aus, so verursachen Anreise, Übernachtung und

Verpflegung allein dieser Gäste rund 3600 Tonnen CO2. Künstler,

Equipment und Personal zählen extra. Für Besucher des New Yorker

Konzerts ist die durchschnittliche Klimabilanz laut Lehmkuhl etwas schlechter,

weil man mit mehr Anreisen per Flugzeug rechnen müsse.

Unsicherheitsfaktor Rio,

Antarktis vernachlässigbar

Der große Unsicherheitsfaktor

in der Gesamtbilanz ist das Riesenkonzert in Rio de Janeiro. Erst am gestrigen

Freitag wurde das besucherzahlenmäßig wohl größte

“Live-Earth”-Konzert von den Behörden vor Ort doch noch genehmigt

(mehr…). Nun bleibt abzuwarten: Kommen wirklich 700.000 Menschen? Und

reisen sie möglicherweise klimaschonender an als Musikfans in den

reichen Ländern des Nordens? Ohne Rio beläuft sich die CO2-Rechnung

auf eine Größenordnung von 60.000 Tonnen – mit Rio dürfte

noch einiges dazukommen.

Geschätzte CO2-Emissionen

von “Live Earth”

Beitrag  CO2-Ausstoß

Emissionen durch Künstler

(insgesamt)

Anreise (inklusive Band

und Crew)  4463 t

Übernachtung (inklusive

Band und Crew)  27 t

 

Emissionen durch Besucher

Hamburg (geschätzt

45.000)  3600 t

New York (geschätzt

80.000)  2500 t

London (geschätzt 90.000) 

6600 t

Rio de Janeiro (geschätzt

700.000)  50.000 t

Schanghai (geschätzt

80.000)  6400 t

Sydney (geschätzt 45.000) 

7200 t

Johannesburg (geschätzt

260.000)  18.400 t

Tokio (geschätzt 50.000) 

2400 t

 

Emissionen durch Transport

des Equipments  154 t

 

Emissionen durch Personal

vor Ort  126 t

 

15% Sicherheitsaufschlag

für andere Emissionsquellen  7800 t

 

Gesamt  110.000 t

(Die Zahlen geben grob die

geschätzten CO2-Emissionen durch verschiedene Teilaspekte der “Live-Earth”-Konzerte

an. Künstler, Equipment und Personal vor Ort wurden für alle

Orte zusammengezählt. Quelle: ClimatePartner, München)

In Rio würden mindestens

50.000 weitere Tonnen Kohlendioxid verursacht, hat Lehmkuhl berechnet.

Was Laien überraschen dürfte: Elektrisches Licht und die Beschallung

sind bei “Live Earth” noch die kleinsten klimabelastenden Faktoren.

Als “relativ gering” veranschlagt

Lehmkuhl ihren Stromverbrauch. Er kennt die grobe Bilanz einer Rockshow,

weil er unter anderem Peter Maffay für seine diesjährige Tournee

beraten hat. Der Musiker wollte wissen, wie viel zusätzlichen CO2-Ausstoß

die Tour verursacht, um ihn auszugleichen – genauso, wie es auch die “Live-Earth”-Organisatoren

in Aussicht gestellt haben.

Wenn diese nach Ende des

weltumspannenden Konzert-Zyklus die genauen Zahlen ihrer CO2-Emissionen

veröffentlichen, könnte sich auch der ein- oder andere klimabewegte

Besucher motiviert fühlen, seinen eigenen Ausstoß auszugleichen

– etwa durch ein Ablasszertifikat für die Anreise. Lehmkuhl sagte,

allein bei “Live Earth” in New York würden wahrscheinlich 10 bis 15

Prozent aller Besucher per Flugzeug anreisen.

 

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