RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Süddeutsche

online 12.06.07

Weg von Kohle und Atom? Gesagt,

getan

Selbst ist der Bürger:

Die Bewohner des Schwarzwaldstädtchens Schönau nutzen schon seit

zehn Jahren erneuerbare Energie aus eigenen Kleinkraftwerken. Nun wurden

sie mit dem Gründerpreis 2007 dafür ausgezeichnet.

Frau Hasenbrink hatte gewarnt,

ihr Mann stecke wegen der Konfirmation in einer “Hammerwoche” und ein Treffen

sei fast unmöglich. Doch wenn es um Solarenergie geht, schaufelt sich

Pfarrer Peter Hasenbrink wohl immer ein Stündchen frei.

In Turnschuhen und Polohemd

springt er vor der evangelischen Kirche aus seinem VW-Bus. “Zehn Jahre

haben wir den jetzt und alle möglichen Pflanzenöle reingekippt,

bisher ist es immer gut gegangen”, sagt er grinsend, “und wenn nicht, den

Versuch wär’s allemal wert gewesen!”

Sekunden später stehen

wir auf der Wiese vor einer südbadischen Dorfkirche, hell verputzt,

mit viereckigem Wehrturm und klassizistisch anmutendem Aufgang. So weit,

so gewöhnlich, wäre das Dach nicht seit 1999 vollständig

mit Solarzellen bedeckt.

Sind wir am Südhang?

“Ja, eine Seite des Kirchendachs zeigt ja immer nach Süden – denn

Kirchen sind grundsätzlich nach Osten ausgerichtet”: Das “Schöpfungsfenster”,

wie der Pfarrer das Solardach nennt, habe “der Herrgott von langer Hand

vorbereitet” – und die Gemeinde nach einigem Gezerre mit dem Denkmalamt

umgesetzt.

Hasenbrink spricht vom Bewahren

der Schöpfung, dennoch lässt er keinen Zweifel daran, dass die

Pfarrgemeinde Teil einer breiten, pragmatischen Koalition ist, ohne die

der erfolgreiche Schönauer Sonderweg undenkbar wäre.

Beim Gang nach unten, ins

Zentrum des 2500-Einwohner-Städtchens, ist die Energieversorgung in

Bürgerhand unübersehbar: Solarzellen glänzen auf den Dächern

von Wohnhäusern, Gasthöfen, Handwerksbetrieben.

Da die Sonne nicht immer

scheint, verbergen sich in etlichen Kellern und Garagen kleine Blockheizkraftwerke.

Mit verschiedenen Brennstoffen betrieben, machen sie über 80 Prozent

der eingesetzten Energie als Strom und Wärme nutzbar. Modernste Kohlekraftwerke

kommen etwa auf die Hälfte, da sie die Verbrennungswärme einfach

an die Umwelt abgeben.

Das Schönauer Ortsnetz

gehört seit 1997 nicht mehr dem regionalen Großerzeuger Kraftübertragungswerke

Rheinfelden (KWR), sondern den Elektrizitätswerken Schönau (EWS).

Zum Zeitpunkt des Netzkaufs hatte Schönau elf Jahre harter Auseinandersetzungen

hinter sich.

Der Anwalt Heinz-Rudolf Hagenacker

gehörte damals zu den Netzkauf-Gegnern. Man merkt ihm die Spannungen

jener Zeit noch an, wenn er im Besprechungsraum seiner Kanzlei die damaligen

Zweifel vieler Schönauer beschreibt: “Stellen Sie sich vor, eine Handvoll

engagierter Bürger ohne Fachwissen will in Eigenregie eine funktionierende

Stromversorgung aufbauen. Auch wir waren schockiert von Tschernobyl, und

vom Klimawandel wussten wir auch schon, aber wer ahnte, dass sie es schaffen

würden?.”

Mit einer Stimme Mehrheit

entschied der Gemeinderat 1991 gegen den Vorschlag der “Netzkauf“-Bürgerinitiative,

in kommunaler Regie eine eigene Energieversorgung aufzubauen. Doch die

Netzkauf-Leute warben so lange für ihre Idee, bis die Mehrheit der

Schönauer dafür war: 1996 waren sie mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren

für den Netzkauf am Ziel.

KWR verlangte für das

Stromnetz zunächst einen Preis von 5,8 Millionen Mark, den EWS nur

dank Spenden aus ganz Deutschland bezahlen konnte. Gleich im Anschluss

führte EWS jedoch einen erfolgreichen Prozess gegen KWR: Das Urteil

bestätigte die Einschätzung, dass der Preis überhöht

sei, KWR musste 2,3 Millionen Mark zurückzahlen. Seitdem fördert

der neue Versorger den Bau privater Kleinkraftwerke.

Dank liberalisiertem Strommarkt

können die Schönauer ihren Ökostrom inzwischen an Kunden

im ganzen Land verkaufen. Und die Versorgungssicherheit? “Wenn Industriebetriebe

wie die Schokoladenfabrik Ritter Sport zu den Kunden gehören, ist

bewiesen: Die packen das wirklich”, sagt Anwalt Hagenacker heute.

“Und Ritter Sport verbraucht

mehr Strom als ganz Schönau!”, ergänzt Ursula Sladek. In der

Netzkauf-Zeit war sie hauptberuflich mit der Erziehung ihrer fünf

Kinder beschäftigt, koordinierte aber auch mit ihrem Mann Michael

Sladek den Kampf ums Netz. Heute ist sie Geschäftsführerin der

EWS.

Vor zwei Jahren ist die GmbH

mit ihren 20 Mitarbeitern in eine frühere Maschinenfabrik am Ortsrand

umgezogen – größere Firmenräume waren unverzichtbar, um

mit der wachsenden Ökostromnachfrage Schritt zu halten.

Den überhitzten Ton

der aktuellen Klimadebatte hält Michael Sladek indes für gefährlich:

“Muss man denn täglich eine andere Sau durchs Dorf treiben und sich

selbst oder andere an den Pranger stellen?”

Permanente Berichterstattung

führe beim Leser nur zu Ohnmachtsgefühlen oder Abstumpfung, warnt

Sladek: “Damit besteht die Gefahr, dass die Diskussion schlagartig abgewürgt

wird und danach nichts mehr geschieht. Für die Klima- und Ausstiegsdebatte

braucht man aber einen ganz, ganz langen Atem”.

 

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