RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Süddeutsche

online 23.08.07

Lauwarmer Klimaschutz

Das Klimasystem der Erde

ist träge, und es ist ausgesprochen nachtragend. Schon vor der Kabinettsklausur

in Meseberg ist offenkundig, wie schwer sich die Große Koalition

damit tut, mit passenden Klimakonzepten darauf zu reagieren.

Die Treibhausgase, welche

seit dem Beginn der Industrialisierung in die Atmosphäre gelangen,

entfalten ihre Wirkung noch nach vielen Jahrzehnten. Politik ist aber in

einer Demokratie auf Legislaturperioden fixiert. Diese Fixierung ist besonders

stark, wenn eine Große Koalition am Ruder ist, in der beide Parteien

das Ende der Zwangspartnerschaft herbeisehnen.

Wie schwer sich Union und

SPD damit tun, ein umfassendes und verbindliches Klima- und Energiekonzept

bis zum Jahr 2020 vorzulegen, ist schon vor der Kabinettsklausur in Meseberg

offenkundig.

So ist klar, dass wegen der

zahlreichen Kompromisse und wegen der Vertagung strittiger Komplexe nie

und nimmer ein Fahrplan herauskommt, der Deutschland an das selbstgesteckte

Ziel bringt: die Reduzierung der Treibhausgase um 40 Prozent, gemessen

am Basisjahr 1990.

In einem beliebten Spiel

wird eine Person mit Temperaturangaben an ein Objekt herangeführt,

das sie finden soll: ganz kalt, wärmer, heiß. Die Bundesregierung

wird sich mit ihrem Programm nach Meseberg an einer Stelle befinden, an

der es gerade lauwarm ist.

Immerhin, die Beschlüsse

der Klausur führen schon in Regionen mit höherer Temperatur.

Das liegt vor allem daran, dass im Klimaschutz endlich ein Potential erschlossen

wird, das doppelte Rendite verspricht.

Besser gedämmte Häuser,

moderne Heizungsanlagen, die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energie

zur Wärmegewinnung, sie mindern sowohl die Klimabelastung als auch

die immer riskantere Abhängigkeit von Gas und Öl. Die verschärfte

Einsparverordnung erfasst zu Recht auch die Sanierung von Altbauten und

wäre ein stumpfes Schwert, wenn sie nicht mit Bußgeldern drohen

würde.

Dass die Verbände der

Immobilienwirtschaft über diese Vorgaben klagen, war vorhersehbar,

sollte aber niemanden sonderlich beunruhigen. Es wird da die übliche

Rechnung aufgemacht: Auf diesem oder jenem Sektor könne für weniger

Geld mehr für den Klimaschutz erreicht werden. Mit solchen Ablenkungsmanövern

haben schon die Spitzen der Stromwirtschaft auf den Autoverkehr gedeutet,

die Manager der Autoindustrie auf die Luftfahrt, die Luftfahrt auf den

Autoverkehr…

Wirksamer Klimaschutz muss

sich aber mit Ordnungsrecht auf möglichst viele Bereiche der Wirtschaft

erstrecken, solange kein System existiert, das den Handel mit Zertifikaten

für jede Form von klimaschädlicher Energie erfasst. Der EU-weite

Handel mit Emissionsrechten krankt aber daran, dass nur die Industrie im

Spiel ist, private Haushalte und der Verkehrssektor hingegen außer

Obligo bleiben.

Tabu Tempolimit

An den Auto- und Flugverkehr

traut sich die Koalition nicht so recht heran, da klafft eine Lücke

im Programm auch dieser Regierung. Es sind kleine Schräubchen, die

gedreht werden, etwa bei der nach dem Kohlendioxidausstoß gestaffelten

Lastwagenmaut und der Kfz-Steuer. Vage Absichtserklärungen zur Besteuerung

des privilegierten Flugzeugtreibstoffs erfolgen allemal auch vor dem Hintergrund,

dass ein solcher Schritt erst noch auf internationaler Ebene abgestimmt

werden müsste. Das kann dauern und wird, wenn überhaupt erst

auf Druck aus Brüssel hin geschehen.

Leider schafft es nicht einmal

eine Große Koalition, Deutschland an die zivilisierte Verkehrswelt

heranzuführen und ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen.

Es brächte nicht die Menge für das Klima, aber Kleinvieh macht

auch Mist. Außerdem gibt es keine Maßnahme, die so einfach

und zudem kostenneutral umzusetzen wäre. Rationale Gründe zählen

aber nicht, wenn eine Gesellschaft Tabuzonen errichtet hat, in denen quasisakrale

Regeln gelten.

Vertagt ist außerdem

der Ausbau der unschlagbar effektiven Blockheizkraftwerke, die gleichzeitig

Strom und Wärme erzeugen. Sie haben in Deutschland einen Minderheitenstatus,

weil sich die Stromkonzerne zäh gegen den Verlust ihrer Marktanteile

an dezentrale Erzeuger wehren.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben,

könnte man meinen, und es ist ja auch wahr: Was jetzt in Meseberg

beschlossen und hoffentlich bald in Paragraphen gegossen wird, ist nur

die Basis einer Koalition für zwei Jahre. Allerdings benötigen

Wirtschaft und Verbraucher Sicherheit weit über diese Zeit hinaus;

wer heute investiert, braucht die Gewissheit, dass dies langfristig Früchte

bringt.

Und bei all den Klagen über

die Kosten des Klimaschutzes wird leicht vergessen, dass spätes Handeln

noch teurer kommen könnte. Staaten, die das Landemanöver rechtzeitig

einleiten, vermeiden den harten Aufschlag, wenn die Folgen der Erderwärmung

evident sind und Erdöl sowie Erdgas unbezahlbar werden.

Es wird nicht leichter in

zwei Jahren. Und es kann auch gut sein, dass Union und SPD dann wieder

aneinandergekettet sind, weil die Wähler und die Parteienkonstellation

es so bestimmen. Ob Deutschland dann wenigstens reif für ein Tempolimit

ist? Die beiden Volksparteien sollten sich darauf einstellen, dass sich

für die nationalen Klimaschutz-Ziele künftig noch weit schwerere

Aufgaben stellen.

 

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