RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 05.09.07

CO2-VERSPRECHEN DER AUTOHERSTELLER

Offenbarungseid vor der

IAA

Von Thomas Hillenbrand

Ausgerechnet vor der Internationalen

Automobilausstellung: Ein Umweltverband hat errechnet, dass die europäische

Autoindustrie ihre freiwillige Selbstverpflichtung zur Senkung des CO2-Ausstoßes

verfehlt. Statt den Vorwurf mit eigenen Zahlen zu kontern, setzen die Hersteller

auf kreative Statistik.

Berlin/Brüssel/Hamburg

– Manche Versprechen bereut man später. So geht es auch der europäischen

Autoindustrie und ihrem Dachverband ACEA: Die Brüsseler Lobbygruppe

hatte der Europäischen Kommission 1998 versprochen, den Ausstoß

des Klima-Killer-Gases CO2 (Kohlendioxid) bei neu zugelassenen Pkw bis

Ende 2008 auf durchschnittlich 140 Gramm je Kilometer zu drücken.

Doch dieser Öko-Schwur ist, wie sich jetzt immer deutlicher abzeichnet,

kaum mehr einzuhalten.

Die Nichtregierungsorganisation

Transport & Environment (T&E) in Brüssel hat errechnet, dass

die von europäischen Herstellern in der EU verkauften Neufahrzeuge

2006 im Durchschnitt 160 Gramm CO2 pro Kilometer ausstießen. Gegenüber

2005 hätten die Autobauer den Wert damit lediglich um ein halbes Gramm

reduziert. “Sie werden das Ziel für 2008 weit verfehlen”, prognostiziert

T&E-Sprecher Dudley Curtis.

Eigentlich soll die Kommission

die Fortschritte bewerten, die im ACEA organisierte Hersteller wie BMW,

DaimlerChrysler, Volvo oder PSA Peugeot Citroën bei ihren Klimaanstrengungen

machen. Denn sie ist theoretisch ein besserer Schiedsrichter als die Öko-Organisation

T&E. Das Problem ist aber, dass Europas wichtigste Behörde sehr

langsam rechnet: Die neuesten zum CO2-Ausstoß vorliegenden Kommissionszahlen

zur Selbstverpflichtung datieren aus dem Jahr 2004 – bei diesem Tempo wird

die Öffentlichkeit frühestens Mitte 2010 erfahren, ob die Autohersteller

zweieinhalb Jahre zuvor ihr Versprechen gebrochen haben.

Schweigen und schönrechnen

“Wir sind sehr unglücklich,

dass das so lange dauert”, beteuert ACEA-Sprecherin Sigrid De Vries. Dennoch

müsse man warten, bis die Kommissionsstatistiker fertig gerechnet

haben – das sei schließlich der vereinbarte Prozess. Die T&E-Berechnungen

will ACEA nicht kommentieren, legt allerdings auch keine eigenen Zahlen

vor. Auch zu der Frage, ob die 140-Gramm-Grenze Makulatur ist, möchte

De Vries sich nicht äußern.

T&E ist zwar kein neutraler

Beobachter, in der Vergangenheit erwiesen sich die CO2-Berechnungen des

Öko-Verbandes jedoch als recht präzise. Das liegt vor allem daran,

dass die Umweltlobbyisten nach eigenen Angaben auf öffentlich zugängliche

Kommissionsstatistiken zurückgreifen. Diese liegen für 2006 bereits

vollständig vor. Man habe die gleiche Berechnungsmethodik verwendet

wie die Kommission, so ein T&E-Sprecher.

Wer etwas genauer hinschaut,

erkennt Anzeichen dafür, dass die Autoindustrie ihr Versprechen von

1998 schon abgeschrieben hat. Erst am Dienstagabend sagte PSA-Chef Christian

Streiff in Paris, die von der Kommission geforderte Reduktion des CO2-Ausstoßes

auf “130 Gramm im Jahr 2012” sei “nicht erreichbar”. “Ich bitte Sie inständig:

Geben Sie uns realistische Zielvorgaben” habe der Manager an die Kommission

appelliert, berichtet die “Automobilwoche”.

Auf der ACEA-Webseite rechnen

Experten des Verbandes vor, man müsse auf den CO2-Zielwert von 140

Gramm eigentlich 13 Gramm draufschlagen. Die Begründung: Die Kommission

habe den Herstellern in den vergangenen Jahren allerlei neue, strengere

Sicherheitsauflagen aufgebrummt. Die machten Autos schwerer und damit durstiger,

was den Kohlendioxid-Ausstoß deutlich erhöht und die Bemühungen

der Hersteller konterkariert habe.

Folgt man der ACEA-Logik,

liegt der 2008er Zielwert plötzlich bei komfortablen 153 Gramm. Das

könnte gerade so klappen. Bis Anfang 2008 lässt sich ja vielleicht

noch ein bisschen rechnen.

 

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