RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 13.09.07

IAA – Das klimagerechte

Auto

Von Wolfgang Peters

 

Menschen, Motoren und Sensationen:

Zu der an diesem Wochenende sich für das Publikum öffnenden 62.

Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt werden bis zum

23. September etwa eine Million Besucher erwartet. Das darf wie in der

Vergangenheit als eine Abstimmung für das Auto gewertet werden. Aber

in Zeiten des Diskutierens über Klimaveränderungen und Schadstoffe

in den Autoabgasen klingen die Jubelrufe der Branche über tolle Fahrzeuge

und technische Fortschritte eher verhalten. Vom einstigen „Tanz um das

Goldene Kalb“ reden nicht einmal mehr die Autogegner.

Sie haben neue Stichworte

eingeführt und mit gesellschaftlichem und politischem Druck das Auto

an den Pranger gestellt. Mit schöner Regelmäßigkeit wird

ein neuer, tatsächlicher oder vermeintlicher Makel entdeckt, den man

dem Auto anheften kann. Aber gleichzeitig hat die einschlägig beschäftigte

Industrie, nicht immer mit wirklicher Begeisterung, darauf zu antworten

gewusst: Der Feinstaubvorwurf bei den Dieselmotoren führte zur Einführung

der Filtertechnik und zur Entwicklung noch schadstoffärmerer Selbstzünder;

die Forderung nach niedrigeren Verbräuchen wird mit etlichen technischen

Tricks in zahllosen neuen Modellen auf der 62. IAA erfüllt. Sparen

und Spaß haben beim Fahren: Das muss sich nicht ausschließen.

Die IAA fährt unter

dem Banner der Hybriden

Deshalb fährt das Auto

in die Zukunft mit einem Kaleidoskop technischer Möglichkeiten. Die

Menge der Baustellen ist kaum noch zu überblicken: So wird die weitere

Verringerung der Kohlendioxidanteile in den Abgasen mit Hybridtechnik,

mit Erdgasmotoren, mit kleineren Triebwerken, mit direkter Kraftstoffeinspritzung,

mit neuen Getrieben, besserer Batterietechnik, effizienterer Energierückgewinnung

beim Bremsen und mit alternativen Kraftstoffen vorangetrieben.

Sensationen wird man in Frankfurt

vergebens suchen. Das Brennstoffzellenauto mit Wasserstoff als Energieträger

taugt bestenfalls als Vision. Den Geniestreich des abgasfreien Autos hat

noch keiner geschafft. Denn technischer Fortschritt in der geforderten

Größenordnung basiert auf hohen Investitionen und zäher

Arbeit. Aber eine kleine Sensation hat sich schon vor der IAA ereignet:

Etwa drei Wochen lang wurden die Tageszeitungsleser durch eine Anzeigenkampagne

aufgeschreckt, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat.

Ausdruck eines neuen Bewusstseins

Dazu haben sich alle deutschen

Autohersteller unter der Führung des VDA, des Verbandes der Autoindustrie,

zusammengetan. In schöner Unbescheidenheit lautet jeweils der Tenor:

„Autos aus Deutschland. Die besten Autos der Welt.“ Das klingt ein wenig

nach der Lobpreisung westfälischen Schinkens oder bayerischen Bieres.

Aber die dahinter versteckte Botschaft lautet: Die deutsche Autoindustrie

gibt auf dem Weg zu Wagen mit geringeren Verbräuchen und neuer Technik

richtig Gas.

Dass sie das in der Anzeigenfolge

mit Autos verbindet, deren Hersteller unmittelbare Konkurrenten sind, ist

ein wenig pikant und zugleich ein Symbol. Aber das ist nicht nur die Botschaft

eines Schulterschlusses. Es ist auch Ausdruck des neuen Bewusstseins im

VDA, das am 1. Juni zu wirken begann, als der einstige Politiker und Verkehrsminister

Matthias Wissmann seine Präsidentschaft antrat. Er arbeitet hart daran,

Industrie und jene Teile der Gesellschaft zusammenzuführen, die auf

das Auto als blanken Umweltfeind eingeschworen sind.

Skepsis ist durchaus angebracht

Gegen dieses Vorurteil kann

nur eine Industrie bestehen, die politischer denkt und handelt als früher

und die nicht auf Konfrontation, sondern auf Kooperation setzt. Wissmann

und die deutsche Autoindustrie sind dabei nicht chancenlos. Das zeigt sich

bei der nach Meinung vieler Techniker überschätzten Hybridtechnik.

Denn die Behauptung, dass die deutschen Hersteller die Entwicklung der

Hybridtechnik „verschlafen“ hätten, wird mittlerweile etwas differenzierter

gesehen.

Gegenüber den Hybriden

ist durchaus Skepsis angebracht, denn ihre Technik ist eine Mischung aus

Benzin- und Elektroantrieb. Jeder Hybrid fährt fast nur mit der Energie,

die beim Verbrennen von Benzin entsteht – wenn auch große Teile des

Minderverbrauchs mit intelligent agierenden Getrieben erwirtschaftet werden.

Unter dem Banner der Hybriden

Die Hybriden sind in deutschen

Forschungsabteilungen keine Unbekannten. Aber die deutschen Automanager

setzten auf den noch sparsameren Diesel und wurden Opfer dieser Fehleinschätzung.

Sie ließen sich vom Siegeszug des Diesels auf den europäischen

Märkten (Marktanteil in Westeuropa: 52 Prozent) blenden und unterschätzten,

wie sehr Käufer in den Vereinigten Staaten und Japan den Diesel ablehnen.

Dort haben sich die Hybriden

durchgesetzt, und die deutschen Autohersteller ziehen jetzt nach: Die 62.

IAA fährt unter dem Banner der Hybriden. Zu kaufen sind sie allerdings

nur bei der japanischen Konkurrenz. Ob es tatsächlich zu einem meteorologischen

Klimawandel kommen wird, weiß niemand wirklich. Aber der technische

Klimawandel hat in der Autoindustrie schon eingesetzt.

Dabei wird es nicht reichen,

konventionelle Autos auf Hybridtechnik umzurüsten. Die Zeit ist reif

für eine sanfte Revolution mit zwei Zielrichtungen: Sie wird das Auto

der Zukunft mit Antrieben versehen, die den Abschied vom Erdöl bedeuten

und mit minimalem Schadstoffausstoß betrieben werden. Diese Technik

ist nicht für kleines Geld zu haben. Daraus entsteht eine paradoxe

Lage: Um die Reise in das Morgenland des ohne schädliche Emissionen

fahrenden Autos finanzieren zu können, müssen die Hersteller

in der Gegenwart hohe Profite einfahren. Das aber geht nur mit den Fahrzeugen,

deren Luxus und Leistung die großen Massen auch auf dieser IAA in

Entzücken versetzen werden.

 

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