RootZ Aktion – Summer Jam 2002


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Aktion
 

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Festivalreportage



Summer Jam 2002 – Roots Rocking über Europa

 

Das
Summer Jam Festival hat dieses Jahr, traditionell wie immer, am ersten
Juliwochenende zum siebzehnten Male in Folge stattgefunden. Nach der Loreley
und einem kurzen Gastspiel auf einem Militärgelände am Niederrhein,
hat das Festival seit 1996 auf der Regattainsel im Fühlinger See,
einem im Kölner Norden gelegenen Freizeitgebiet, ein festes Zuhause
gefunden. 

Drei Tage Musik mit über
vierzig Livebands und jeder Menge Sound Systems auf vier Bühnen stellen
den Rahmen des Festivals, das sich nicht nur dem traditionellen Roots Reggae
verschrieben hat, sondern ein offenes Musikkonzept anbietet. Neben der
jamaikanischen Urmusik treten Acts aus den Bereichen R & B, Worldmusic,
Dancehall, Ska und Hip Hop auf. Dies hat Tradition beim Festivalveranstalter
Klaus Maack (Contour Music, Stuttgart): „Das ist eben das Besondere am
Summer Jam, daß wir so eine große Bandbreite an musikalischen
Stilen bieten, “ sagte er im Interview während des Festivals. So konnte
man im Laufe der Jahre neben den Reggaestars auch Musikgrößen,
wie James Brown, Guru, Yothu Yindi oder Manu Dibango begrüßen. 

 

Drei Tage Love,
Peace und Happiness rund um den Fühlinger See. Das ist ein Mekka für
Tausende von Reggaefans, die aus ganz Europa angereist kommen und das Flair
des Festivals gar nicht hoch genug loben können. Immer wieder wird
betont, daß diesen drei Tage regelrecht entgegengefiebert wird, denn
dann kann sich die Subkultur feiern. Es gibt keine Probleme mit Hautfarbe,
Herkunft oder Sprache, alle sind gleich und feiern eine riesige und größtenteils
friedliche Party. 

Natürlich gibt es dabei
immer wieder schwarze Schafe, die dem Alk zu intensiv gefröhnt haben
und ihre Aktionen nicht mehr unter Kontrolle haben. Sogar der Einsatzleiter
der örtlichen Ordnungskräfte, Polizeidirektor Baltes, äußerte
die Meinung, daß er die Erfahrung gemacht hat, von den Alks viel
mehr Aggressionen, Gepöbel und Probleme entgegengebracht zu bekommen,
als von den Genießern natürlicher Kräuter. „Trotzdem ist
der Cannabisgenuß eine Straftat und wir müssen einschreiten,
wenn wir das beobachten, “ sagte er während des Festivals auf Nachfrage
von mir. 

 

Den Job der
Drogenkontrolle teilt sich nach Etablieruntg eines neuen Kölner Veranstaltungskonzeptes
die Polizei mit den Securities am Eingang. Letztere sind angewiesen, die
Besucher beim Einlaß auf Drogen zu kontrollieren und diese sicherzustellen.
Dafür werden die cleveren People, die ihre Rauchwaren ins Festival
geschmuggelt bekommen haben, in Ruhe gelassen. „Auf dem Gelände gehen
wir eigentlich nur noch gegen die Dealer vor, “ meinte Baltes hierzu. 

 

Polizeidirektor Baltes
bei RootZ.net > 

Aber dieses neue Konzept
stößt bei den Besuchern auf wenig Gegenliebe. Sie wollen ihr
Kraut einfach nur behalten und mit der neuen Situation kamen ganz schnell
Vorwürfe auf, wie „jetzt machen sich die Securities eine schöne
Zeit mit meinem Gras…“. Leider ist der Cannabiskonsum nach wie vor illegal
und eigentlich sollten die Summer Jam Fans happy sein, daß nicht
mehr unsere Gesetzeshüter den Job innehaben, denn dann gäbe es
mit Sicherheit mehr Anzeigen. 

 

Und nach der
Größe der Rauchwolken zu urteilen, die v0on den diwesjährigen
24 000 Besuchern in die Luft über der Regattainsel geblasen wurden,
ist immmer noch ausreichend Ganja aufs Gelände gekommen. Die Zahlen
der wegen THC-Vergehen verhafteten Besucher war zu den letzten Jahren rückläufig,
jedoch ging der Polizei am letzten Festivaltag ein dicker Fisch ins Netz:
von einem Festivalmitarbeiter wurde jemand beobachtet, wie er vcersucht
hat, Künstlerpässe für das Festival an Leute zu verkaufen. 

Die benachrichtigte Polizei
verhaftete den Mann, fand bei ihm mehr als 200 gefälschter Pässe
und noch ca. 60 Kilo THC Produkte in seiner Wohnung. Man sieht, ein festival
dieser Größe zieht auch Kriminelle ähnlicher Größenordnung
an. 

 

Konzeptuell
gab es bei diesem Festival eine Neuigkeit, nämlich eine zweite Livebühne,
die den Publikumsfluß etwas entzeren sollte. Daztu kamen zwei Zeltbühnen,
reserviert für unzählige Sound Systems und ein Konzept, das die
vier Veranstaltungsorte aufeinander abstimmen sollte. So gab es beispielsweise
am ersten Tag auf der Hauptbühne Hip Hop und Reggae, während
die zweite Bühne mit Dub aufwartete. Dieses Konzept soll laut Veranstalter
im nächsten Jahr beibehalten und noch verfeinert werden. 

Trotz der Ausfälle von
Künstlern, wie Elephant Man, Beres Hammond oder Big Youth, die schmerzten,
war an den drei Tagen ein hochkarätiges Programm am Start, das allen
Leuten etwas zu bieten hatte. Am ersten Tag gab es auf der Main Stage Auftritte
der Ska-Dub-Formation Dubtari aus Hamburg, von Joy Denalane, die von ihrem
Gatten Max von Freundeskreis unterstützt wurde, den Orishas aus Kuba,
die in ihrem Hip Hop moderne Elemente mit traditioneller kubanischer Musik
verschmelzen und von Blumentopf aus München, die als Ersatz für
Elephant Man nur Kopfschütteln und nicht das übliche –nicken
ernteten. 

Dann kamen die Haupacts,
zuerst Seeed die fulminante Band aus Berlin, die dieses Jahr auf dem Echo
abgeräumt hat und Reggae im Jahre 2001 in die deutschen Charts gebracht
hat. Nachdem sie letztes Jahr ihre ausgedehnten Touren aufgrund einer Gesichtslähmung
des Frontmannes und Masterminds Pierre Baigorry abbrechen mußten,
strotzte Pierre bei diesem Konzert wieder vor Energie. Die Massive feierte
Hits, wie „Dickes B“ Psychedelic Kingdom“ und „Waterpumpee“ und die Stimmung
heizte sich soweit auf, daß der folgende Beenie Man, eine der großen
Nummern auf Jamaika und international recht erfolgreich, sich fast wie
zu Hause fühlte. Das merkte man ihm an, als ein einziges Energiebündel
jagte er von der einen Seite der Bühne zur anderen, immer die „Girls
dem sugar“ im Visier. 

Parallel zum Hauptprogramm
rockte die zweite Open Air Bühne mit Dubacts, wie dem Hamburger Turtle
Bay Country Club aus Hamburg, einem Projekt des Ex-Kastrierten Philosophen
Matthias Arfmann, den Peuple de l‘Herbe aus Lyon und den Britdubbern Dub
Syndicate um den legendären Drummer Style Scott und Zion Train mit
ihrem Mix aus technoiden Beats und dubbigen Bässen. 

Wer kurz vor Mitternacht
noch nicht genug auf die Ohren bekommen hat, bekam in den zwei Zelten die
Chance, bis in den frühen Morgen weiterzufeiern. Da gab es im weißen
Zelt die „Bling Bling Nite“ mit mehreren deutschen und internationalen
Sounds, die am Mike von Reggaegrößen, wie Snagga Puss a.k.a.
Mr. Balance und Massive Joey unterstützt wurden. Und im gelben Zelt
pushte das Kölner Sound System Fireball mit Fab und Lexx an den Turntables
und Nile Moddy am Mike die Vibes und rockte die Massive bis in die frühen
Morgenstunden. 



Beenie Man



Seeed



Capleton



Mr. Gentleman



Luciano



Lucky Dube

Der Samstag auf der Hauptbühne
stand ganz im Zeichen von trraditionellem Reggae und großen Namen.
Eröffnet wurde das Programm von Robert Lee, dann folgten die fetten
Acts Schlag auf Schlag: Bushman gab uns spiritual Healing, Buju Banton
ließ seine Reibeisenstimme erklingen und Sunny Boy Luciano war der
Rasta Messenger. Dann kam Gentleman und machte während seiner „Journey
to Jah“ Station am Fühlinger See. Der kölsche Jung hatte mehr
oder weniger ein Heimspiel und wurde von einer die gesamte Wiese vor der
Bühne bedeckenden Massive ohne Ende abgefeiert. Dadurch stimmte die
Summer Jam Betriebstemperatur, denn mit dem nächsten Act wurde es
extrem heiß: King Chango a.k.a. The Prophet a.k.a. The Fireman a.k.a.
Capleton war zwar schon mehrmals auf vorigen Festivals angekündigt,
dieses mal war er tatsächlich da. Na, und der Mann aus David’s House,
Papine, Jamaika, zeigte uns Babyloniern, was ein Rastavibe ist. Solch eine
energiegeladene Show mit massivstem Charisma bekommt man so gut wie nie
zu sehen, da liefen Schauer über Schauer die unzähligen Wirbelsäulen
der Massive herunter. Erstaunlich war, daß nach diesem großen
Mann sich noch ein Act auf die Bühne wagte: Alpha Blondy feierte sein
zwanzigjähriges Bühnenjubiläum und hat wahrscheinlich auf
diesen exponierten Programmplatz bestanden. 

 









Die zweite Livebühne
eröffnete den Samstag mit drei deutschen Acts, bevor es rootsy wurde:
einen Deutschlandpremiere hatten die Ras I-Tes aus London, eine vierköpfige
Band zwischen 17 und 20 Jahren alt, die den Reggae spielt, als hätten
sie nie etwas anderes gemacht. Endlich wieder eine Roots Reggae Hoffnung
aus Britannien, die von Anfang an mit einem Kaliber à la Aswad oder
Steel Pulse aufwartet. Es folgte der Verteran und erste jamaikanische SingJay,
der für die Etablierung dieses Genres in den Achtzigern verantwortlich
ist: Eek A Mouse. Mit seinen selbst angesungenen „six foot six tall“ ist
er wahrscheinlich die größte Maus der Welt und kann Mengen an
Futter verdrücken, was schon fast unglaublich ist. Dieses Phänomen
konnte ich persönlich backstage während eines Interviews beobachten.
Daß die Maus während seiner über 20 Jahren Bühnenpräsenz
eine immense Gefolgschaft aufgebaut hat, zeigte der völlig überfüllte
Raum vor der Bühne, was soweit ging, daß die Massive teilweise
nicht bis zur Hauptbühne vordringen konnte, um Capleton zu sehen.
Als Abschluß gab es dann noch eine Legende: Max Romeo ist nach langer
Stille auf die Bühnenbretter zurückgekehrt und zeigte mit ergrauter
Mähne den Reggaekids, wie der Takt schlägt. 

Die Nacht im weißen
Zelt wartete mit einem weiteren Veteranen auf: David Rodigan, der unheimlich
viel für die Etablierung einer Reggaeszene in Europa getan hat, legte
seinen Set auf. Dabei wurde er am Mike von General Levy unterstütztt
und an den Tellern von diversen deutschen Sounds abgelöst. 

Sonntag, Tag drei im Reggaemarathon.
Trotz dunkler Wolken über die Tage ist es bisher nicht zur befürchteten
Schlammschlacht gekommen. And the show goes on. Als erstes gibt’s feinen
Ska aus deutschen Landen, die Court Jesters Crew spielt auf, leider ohne
den bekannten Frontmann, den sie sonst backen: die Skalegende Laurel Aitken,
gefolgt von den Wailers um Aston „Familyman“ Barrett, die man leider nur
als Abklatsch der Originalcombo bezeichnen kann. Dann kam Slackness pur.
Lady Saw wartete mit großzügigem Ausschnitt und noch freizügigeren
Texten auf und versetzte das männliche Publikum mit ihrer sexgeladenen
Show in Ekstase. Junior Reid hatte es ikm Anschluß schwer, die Stimmung
seiner Vorgängerin zu halten, trotz großer Hits, wie „Great
Train Robbery“ und Auszügen aus seiner Zeit als Frontmann der legendären
Black Uhuru. Als Ersatz für Beres Hammond kam Macka B, der Hühne
aus dem Hause Ariwa und erzählte dem Publikum mit seinen Lyrics über
den politischen Kampf dunkelhäutiger Menschen im Vereinigten Königreich.
Den krönenden Abshluß bildete der wahre König des afrikanischen
Reggae, Lucky Dube. Der Südafrikaner kann schon auf 15 Jahre Musikerfahrung
zurückblicken und hat in der Zeit eine Stageshow inklusive Choreographien
und Harmonies entwickelt, die einfach nur Spaß macht.



 

Das Parallelprogramm
der zweiten Bühne stand im Zeichen von Ska und World Music. Afrikanische
Klänge gab es vom legendären Orchestra Baobab und der zierlichen
Angelique Kidjo aus Benin. Die Rude Boys konnten Acts, wie Roy Paci aus
Sizilien, Dr. Woggle und die Peeping Toms aus Germanien abfeiern und zum
Abschluß gab es noch Reggae Foundation mit den Pioneers. 

So gingen drei Tage Reggae,
rauchen, feiern, Leute treffen, schlemmern, Platten kaufen, dösen,
schlendern und rocken mal wieder viel zu schnell zu Ende und die internationale
Massive machte sich auf den Heimweg. Zurück geblieben sind leider
wieder einmal Berge von Müll, zertrampelte Wiesen und Büsche
und die Anwohner des Festivals, die sich einerseits über die Exotik
der Besucher freuten, andererseits Probleme mit dem Druck der heftigen
Reggaebässe hatten. Das nächste Jahr wird das Summer Jam volljährig
und es wird hoffentlich wieder ein Festival mit one Love, Peace and Harmony.






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2002
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