RootZ Aktion – Summer Jam 2002


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Aktion
 

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Festivalreportage



Summer Jam 2002 – Presse

In Europa konkurrenzlos
– der Summerjam, der zum 17. Mal stattfand. 

VON CHRISTIAN BOS 

Wir schreiben das Jahr Eins
nach dem großen deutschen Reggae-Hype. Deutschlands letztes verbliebenes
Presswerk für Vinyl-Singles – dem favorisierten Format der Dancehall
– kommt mit der Produktion kaum hinterher. Und der Summer- jam am Fühlinger
See – Europas größtes Reggae-Festival – ist zum zweiten Mal
in seiner 17-jährigen Geschichte ausverkauft. 

Hunderte von Mikro^ökonomien
bilden sich unter den eilig aufgebauten Zeltdächern. Zigaretten. Jamaica-Rum-Punch.
Bongo-Trommeln und Bratwürste. Bengalische Feuer, blinkende Mini-
Lichter und die neuesten Dancehall-Hymnen aus den Boomboxen locken die
Kundschaft aus dem Drei-tagecamp. So geht man eine ganze Weile am verwandelten
Ufer des Fühlinger Sees entlang. Müll und Zelt erkennt man oft
nur an der jeweils aktuellen Form der Nutzung. Vorbei an stolzen Rastas,
bekifften Hip-Hop-Kids, an weiten Batikgewändern und scharf geschnittenen
Bikini-Oberteilen. 

Längst dürfen auch
deutsche Dancehall-Acts neben den Top-Acts aus Jamaika und Afrika spielen,
dieses Jahr sogar im Abendprogramm. Seeed, das Berliner Reg- gae-Kollektiv
um Pierre Baigorry, das im vergangenen Jahr mit “Dickes B” und “Dancehall
Caballeros” deutschen Dancehall in die Charts führte, stand am Freitag
erstmals nach langer Pause wieder auf der Bühne. Weder Show noch Band
müssen sich vor karibischen Standards verstecken, allein das Song-Material
ist noch reichlich dünn. Was besonders im Direktvergleich mit dem
darauf folgenden Programmpunkt auffällt. Beenie Man hatte in seiner
langen Karriere – die er als Kinderstar begann – mehr Hits als Bob Marley,
mehr Chartplatzierungen als irgendein Künstler in Jamaika. Und kaum
ein Deejay war unberechenbarer in seinem Output. 

Beenie Man flog auch schon
mal nach Nashville, um ein waschechtes Country-Stück aufzuneh- men.
Seit einigen Jahren konzentriert er sich auf seine internationale Karriere,
auf seiner nächsten Platte wird unter anderem ein Duett mit Janet
Jackson zu finden sein. Zu Hause, in Jamaika, haben ihn alte Konkurrenten
wie Bounty Killer und Capleton abgehängt. Auch die Kölner Show
ist pure Eklektik, ein konfuser, enervierender, aufregender Schnelldurchlauf
durch die jamaikanische Musikgeschichte – inklusive Tanzkurs für die
hüftsteifen Germanen. 

Die hatten indes die jamaika^nischen
Chartnotierungen gelesen und sparten ihre ganz große Begeis- terung
für den samstäglichen Auftritt von Capleton. Der Anhänger
der Turban tragenden, fundamentalistischen Rastafari-Splittergruppe der
Bobo Dreads erschien mit großer Entourage und predigte sich immer
wieder in feurige Rage. Seine großartig-paranoiden Zornesausbrüche
entzündeten sich an Namen wie Bush, die Queen, der Vatikan und Bob
Dole (?). Kurz: der absolute Wahnsinn. Aber: “Wie kannst du das Feuer bekämpfen,
wenn das Feuer der Reinigung der Seele dient?” Dann wurde der Rasende plötzlich
zum breit grinsenden, zärtlichen Crooner – und wir sind wieder zurück
auf dem sicheren Boden des Entertainments. 

Diesen Spagat beherrschen
auch Buju Banton, der sich Mitte der Neunziger vom jungen Dancehall-Rowdy
zum besonnenen Rastafari gewandelt hat, und der “Messenger” Luciano, der
schon seit Jahren fast ausschließlich dem großen “Jah” zur
Ehre singt. Der ehemalige Eisverkäufer öffnete mit wunderbar
einfachen Melodien die Herzen – und schlug vor Begeisterung über das
schnell missionierte Publikum Flic-Flacs. Der größte Triumph
blieb aber Deutschlands Reggae-Act Nummer eins vorbehalten. Gentleman,
bürgerlich Tilmann Otto, hat einen weiten Weg zurückgelegt. Von
Köln über Jamaika zu Jah und zurück nach Köln: Im Gepäck
sein zweites Album “Journey to Jah”. Das erste deutsche Reggae-Album, das
international mühelos mithalten kann – und am Samstag von Zehntausenden
gefeiert wurde. Kölner Stadt Anzeiger 08.07.02


Copyright Text: KStA
/ Layout: RootZ Crew 2002
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