RootZ Aktion – Splash Festival 2001


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Aktion
 

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’01

Festivalberichte
– Interview mit Chris Cracknell – Greensleeves

 

Greensleeves, gegründet
vor 25 Jahren, ist heute eines der wichtigsten Reggae-Labels der Welt.
Chris Cracknell, einer der beiden Chefs, flog von London zum Splash nach
Chemnitz, um sich dort viele der Greensleeves Künstler live anzusehen. 
Im Chemnitzer Hof traf er sich mit RootZ-Mitarbeiter Ralf Weihrauch zu
einem Interview.

“Die Greensleeves-Geschichte
begann eigentlich schon 1974. Wenn man damals irgendwelche Platten außerhalb
von Rock und Pop kaufen wollte, musste man ins West End fahren. Wir saßen
aber ziemlich weit weg in West Ealing. Unsere Idee war es ein Kette aufzubauen,
in der auch andere Platten zu haben waren, die für die Leute die in
den jeweiligen Stadteilen leben, interessant sind.”

 

West Ealing hatte eine große
irische und westindische Gemeinde. Im Untergeschoss des ersten Shops gab
es somit neben dem normalen Rock und Pop Angebot auch viele Irische Platten.
Im Obergeschoss gab es Soul und Reggae-Musik: “Das war damals eine ziemlich
abenteuerliche Geschichte die Platten zu organisieren. Wir bekamen über
einige Kontakte auf Jamaika Singles in weißen Sleeves, nur mit den
Namen der Künstler und des Titels auf dem Labels. Wenn die verkauft,
war es nie sicher ob wir Nachschub bekamen.” 

Der Shop war dennoch der
Hit bei den DJs:  “Die Diskjockey haben sich auf unseren Geschmack
verlassen. Einige haben dann einfach ihre Bestellungen dagelassen und sich
die Singles schicken lassen, sodass sich ein Mailorder-Service entwickelte.”

Zwangsläufig kam die
Idee, selber Platten zu veröffentlichen. Die Wahl fiel auf Dr. Alimantado,
den Chris und Chris schon immer gut fanden. Die Single “Born for a purpose”
war ein ziemlicher Erfolg.

“Punk und Reggae gingen damals
Hand in Hand,” erzählt Chris Cracknell “Bei Punk Konzerten spielten
auch Reggae-Bands und andersrum.” Eine Woche vor dem Relaese von “Best
dressed chicken” war Johnny Rotten zu Gast in einer BBC-Show in der berühmte
Musiker ihre Lieblingssongs vorstellten “An Nummer 1 seiner persönlichen
Charts stand “Born for a purpose. Eine bessere Werbung gab es gar nicht
und von Alimantados ersten Album haben wir dann über 40 000 Stück
verkauft. Damit war das erste Independent-Record-Label geboren”. Allerdings
war damit auch die Idee einer Ladenkette auch begraben.

Über die Jahre hat Greensleeves
etliche Klassiker auf den Markt von allen Stars der Szene gebracht: Bounty
Killer, Shaggy, Dennis Brown, Beenie Man, Yellowman, Augustus Pablo, Barrington
Levy, Eek-A-Mouse, John Holt, Half Pint, Red Rat und Elephant Man und nicht
zuletzt Sizzla. Hinzu kommen die legendären Serien Greensleeves Reggae
Sampler und Ragga Ragga Ragga.  “Wir haben auch Ende der 70er und
Anfang der 80er problemlos den Wechsel hin zum Dancehall und Ragga geschafft”.

Die Beziehung zu den früheren
Artists ist immer noch hervorragend: “Die kommen alle immer noch gerne
bei uns ins Büro, auch wenn unsere Zusammenarbeit schon lange zurückliegt.
Als ich gestern Barrington Levy getroffen habe, sind wir uns um den Hals
gefallen. Er war 1980 als 15-Jähriger zusammen mit Junjo Lawes zum
ersten Mal bei Greensleeves.”  Daher ist es für ihn unmöglich
einen Lieblingskünstler oder -produzenten zu nennen :”Es waren zu
viele gute dabei.” 

Das Reggae-Geschäft
unterscheidet sich heute erheblich von dem der Vergangenheit: “Heute arbeiten
die Artists mit vielen, verschiedenen Produzenten zusammen. Nehmen mal
da einen Tune auf und mal da. Früher wollten die Leute auf einem Album
nur neue Stücke haben. Heute müssen auch die Hits drauf sein.
Also müssen die Artists erst einmal bei ihren Produzenten sammeln
gehen.” 

Wenn er mit Branchen-Kollegen
aus anderen Musiksparten spricht stößt Chris Cracknell auf viel
Unverständnis: “Die fragen mich immer, wie ich es tolerieren lann,
dass unsere Artists auch auf anderen Labels veröffentlichen. Das muss
aber so sein. Zum einen können wir gar nicht alles veröffentlichen
was beispielsweise Mr. Vegas oder Elephant Man auf Vinyl-Singles herausbringt.
Zum anderen ist es für uns eine tolle Werbung für die Alben,
wenn unsere Künstler so oft wie möglich in den Dancehalls gespielt
werden.”

Für Chris Cracknell
wird es immer schwieriger sich die Artist herauszupicken, von denen er
Alben herausbringen will: “Es gibt eine Unmenge von Artists, und genau
den zu finden, der eine große Zukunft vor sich hat. Wir prüfen
alle Artists nicht nur in musikalischer Hinsicht. Sie müssen auch
die richtige Einstellung zum Geschäft mitbringen, Interviews geben
und sich von uns beraten lasssen. Wer einen Ego-Trip fahren will ist bei
uns sofort unten durch.” Als vielversprechenden Act sieht er Alozade, mit
dem es in Chemnitz auch schon unverbindliche Vorgespräche gegeben
hat.

Die Beziehung zu anderen
Labels ist ziemlich gut: “VP ist natürlich ein großer Rivale
von uns. Sie haben Musiker, die wir gerne hätten und wir haben Künstler,
die sie gerne hätten. Früher haben wir ihre Produkte in Europa
lizensiert und andersherum. Immer öfter haben sie mit Querimporten
aber unser Geschäft gestört. Das konnten wir nicht tolerieren.
Wir haben nun unser eigenes Office und eigenen Vertrieb in den USA.” VP
hat darauf übrigens reagiert und vertreibt nun über Indigo in
Deutschland.

 

Als  nächste Veröffentlichungen
stehen Alben von Elephant Man, Degree, Ward 21 und Sizzla an. Sizzla teilt
sich Greensleeves immer noch mit VP:  “Sein Produzent Fattis Burrel
will zwei Alben von Sizzla herausbringen. Weder wir noch VP können
das leisten,. Die Frage ist dann eben, ob wir ein Sizzla-Album herausbringen
oder gar keins.” Da spielt es auch keine Rolle, dass Sizzla nicht gerne
Öffentlichkeitsarbeit leistet, was bei Chris Cracknell Kopfschütteln
auslöst: “Wenn er sich morgens beim Aufstehen überlegt, keine
Lust auf Interviews zu haben, sagt er die für den Tag geplanten Gespräche
einfach ab.”

Greensleeves hat zwar schon
einige Titel in den Charts gehabt, ihre Produktionen zielen aber nicht
darauf ab: “Heads High, Who Am I oder Oh Carolina  waren allesamt
große Hits an der Basis. Erst dann sind sie in die Charts gekommen.
Ich mag es nicht besonders, extra Remixe oder Radio-Versionen zu produzieren,
wenngleich wir oft danach gefragt werde und es auch manchmal machen. Für
mich steht aber das “Real Thing” im Vordergrund.”

Das Internet sieht Chris
Cracknell nicht als Gefahr für die Plattenfirmen: “Die meisten Leute,
die Songs downloaden, hätten sich die Platten sowieso nicht gekauft.
Der richtige Fan will ein Cover und Informationen. Der Werbeeffekt durch
das Internet ist da viel größer.”


Copyright Text: Ralf
W. / Dr. Igüz / Photos: Jonas W. / Layout:  Dr. Igüz 1998
– 2001
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