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Culture
hat Joseph Hill verloren
“Massive to massive is not
making war. Government to government makes war.” (J.Hill 1990)
“They make money off of
war and spend money on peace.” (J.Hill 1992)
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Der Tod von Joseph Hill hat
die Reggaeszene tief bewegt. Erneut geht die Ära eines der großen
jamaikanischen Vokaltrios zu Ende. RootZ.net läßt die Karriere
von Joseph Hill und Culture noch einmal revuepassieren.
Joseph Hill
startete seine musikalische Kariere in den frühen 70er Jahren des
20.JH mit den Soul Defenders in Studio One, der Reggae Universität
Jamaikas. Es entstanden die Single “Behold the Land” und das auf Heartbeat
erschienene Album “Soul Defenders at Studio One”. Anschließend sang
er für die jamaikanische Tourismusindustrie in Hotelbands.
1976 gründete er mit
Albert “Randolph” Walker und Kenneth Paley (alias Kenneth Dayes) eine eigene
Band, die African Disciples. Das war eine Art Familienbetrieb, denn Albert
Walker ist ein Cousin von Hill, während Kenneth Paley wiederum ein
Cousin von Walker ist.
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Es
folgte eine Zusammenarbeit mit Joe Gibbs, die nicht nur drei Alben (“2
Sevens Clash” (1977), “Baldhead Bridge” (1978) und “Culture”), sondern
auch den endgültigen Namen der Band, “Culture”, hervorbrachte. “2
Sevens Clash” war ein großer Erfolg und positionierte die Band auf
der
musikalischen Landkarte.
Nach einem kurzen Intermezzo
bei Harry J. Studios (Album “Africa Stand Alone” (1978), das von Harry
J. unauthorisert veröffentlicht wurde), folgte eine Phase der Cooperation
mit Sonja Pottinger. “Africa Stand Alone” wurde komplett neu eingespielt
und mit drei weiteren Alben (“Harder Than The Rest” (1978), “International
Herb (1979) und “Cumbolo” (1979)) an das für Reggae zuständige
Virgin-Sublabel “Frontline” in England lizensiert. Alle drei Alben wurden
von Kritikern und Fans begeistert gefeiert und es folgten ausgedehnte Tourneen
durch Britannien. Der heavy Roots von Culture wurde bis in die Zirkel der
neu entstandenen Punkszene gefeiert, die ausgehenden 70er Jahre waren ein
Höhepunkt in der langen Karriere der Band.
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1980 folgte das in keiner
mir bekannten Discographie gelistete Werk “Calling Rastafari”, einer Compilation
mit einer Handvoll unveröffentlicher Tracks gespickt, für das
U.S. Label “Nighthawk”. An den großen Erfolg der Siebziger Jahre
gewöhnt führte ein Karriereknick zur Auflösung der Band.
Hill machte alleine mit wechselnden Partnern weiter und nahm 1982 bei Sonic
Sounds das Album “Lion Rock” mit seinen früheren Soul Defenders auf.
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1986 kam es zu einer Wiedervereinigung
des Trios Hill / Walker/ Paley und es folgten ein paar erfolgreiche Tourjahre
bis in die frühen 1990er. Die Alben “Culture In Culture” (1986), “Culture
At Work” (1986), “Nuff Crisis!” (1988), “Good Things” (1989), “Roots And
Culture” (1990) – eine Zusammenarbeit mit Don Carlos, und “Three Sides
To My Story” (1991) wurden eingespielt. |
1992 verließ
Paley als erster erneut das Trio, Walker folgte ein wenig später.
Hill arbeitete weiter mit verschiedenen Begleitmusikern und -sängern
und veröffentlichte die Alben “Wings Of A Dove” (1993) und “Trod On”
(1993). Letzteres Werk entstand in Cahnnel One und featuret zwei äußerst
hörenswerte Nyahbingiversions, die in Zusammenarbeit mit Count Ossie
eingespielt wurden. 1996 folgte das Album “One Stone”, ein weiterer Culture
Klassiker, für Dr. Dread’s RAS Records. Nach 20 Jahren musikalischer
Arbeit war der Sound des Werkes so tough und die Lyrix so hart, wie der
Albumtitel suggeriert. |
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Ende der Neunziger
Jahre fand Walker seinen Weg zurück zur Band. 1999 entstand das Album
“Payday” und mir sind bestimmt ein paar Alben der neueren Zeit entgangen.
Jedenfalls tourten Hill und Walker weiterhin erfolgreich alljährlich
durch die Welt, um dem Publikum ihre spirituelle, militante, soziopolitische
und kulturelle Message auf den rohen, tragenden Rhythms der Musiker nahezubringen.
Hill war ein begnadeter Frontmann, energetisch, der Schwerkraft trotzend.
Seine Auftritte hatten etwas Besonderes, denn obwohl er den Zuhörern
conscious lyrics über die globalen Ungerechtigkeiten ins Ohr drückte,
konnte er Fröhlichkeit ausdrücken, seine Musik wirkte befreiend
auf die Herzen der Babylonier. |
Wer einmal sein Hitfeuerwerk
von “Two Sevens Clash”, “Stop Your Fussin’ And Fightin'”, “Natty Never
Get Weary” oder “Too Long In Slavery” erleben durfte, weiß, was ich
meine. Ich habe nie verstanden, wie Joseph Hill mit Winston Rodney alias
Burning Spear verglichen werden kann. Hill war das Energiebündel,
die Powerzelle, während Spear immer nur Coolness und Distanz repäsentiert.
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Joseph Hill
ist während seiner Jubiläumstour nach 30 Jahren Culture am 19.
August 2006 völlig unerwartet in Berlin verstorben. Er mußte
nach seinem Auftritt auf dem Sundance Festival in Eindhoven am 12.8. ein
Konzert in Antwerpen wegen Schwindelanfällen absagen, wollte sein
Konzert am 19.8.06 in Berlin aber unbedingt spielen. Als er vor dieser
Show aus dem Bus stieg muß er zusammengebrochen sein und verstarb
noch in Berlin. Die geplante Tournee wurde auf Wunsch von Familie und Band
nicht abgebrochen, anstelle des verstorbenen Joseph Hill wird sein Sohn
Kenyatta zusammen mit Albert Walker und den Musikern um Telford Nelson
die Culture Geschichte weiterschreiben. Joseph Hill war nicht nur Musiker,
Songwriter und Sänger, sondern ein Mensch, der völlig down to
earth lebte und nicht mit dem hustle und bustle der Gesellschaft zu tun
haben wollte. |
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Ich schließe diesen
Beitrag mit seinen aus einem von mir 1998 geführten Interview entnommenen
Worten über den Alltag auf seiner Farm in den Bergen von Stoney Hill
bei Kingston:
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“An einem normalen
Tag sage ich nach dem Aufwachen zuerst meine Gebete, wasche mich und gehe
dann raus, um alle meine Tiere, meine Hühner, meine Gänse, und
all den Rest zu füttern. Dann geht es weiter zu den Kühen und
später schaue ich auf der Farm, was noch am dringendsten erledigt
werden muß, “burn a little spliff” und rumschauen. Zu der Zeit ist
es schon ungefähr Mittag. Während ich diese Sachen erledige,
schaue ich mich um und gebe JAH “thanks and praises” für alles, was
blüht und Früchte trägt. Ich versuche immer, ein Ding zu
tun, das viele Leute nicht tun: mich um meine eigenen Angelegenheiten zu
kümmern. Wenn man sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert,
bekommt man nämlich in gewissen Situationen auch keinen Ärger.
Ich finde immer etwas zu tun, das konstruktiv ist und auf meiner Farm ist
man wenigstens weg von gedankenlosem Ärger und ungewünschten
Problemen.” |
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