RootZ Aktion – Die Reggaeszene in Südtirol


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Aktion
 

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Die
Reggaeszene in Südtirol
Von RALF WEIHRAUCH

Meran ist ein kleiner schnuckeliger
Kurort in Südtirol. Durch die Touristen liegt der Altersschnitt so
ungefähr bei 50 – der Gedanke an Reggae oder gar Ragga wird in die
hinterletzte Ecke des Gehirns verdrängt.

Plötzlich zwängte
sich ein Plakat unweigerlich in mein Blickfeld: “MORE FIRE – Best in Jamaican
Dancehall-Music” DJ Diego und DJ Alpha  kündigen ihren Auftritt
in den Thermen an. “Gib`s doch gar nicht”, nach einem Moment des ungläubigen
Staunens war meine Neugier geweckt.

Da das Plakat weder Telephonnummer,
noch irgendeine Adresse, musste ich alle Investigationskünste auspacken,
aber drei Tage später war ein Treffen organisiert.

An einem schönen Samstagmorgen
saß ich mit DJ Diego, seiner Freundin Silke und Robbi Casali, eine
Mitglied der ehemaligen Meraner Reggae-Band “We and Them” in einem kleinen
Cafe. DJ Alpha war leider noch im Urlaub.

Bei einem kleinen Espresso morgens
um 11 begannen wir die Reggae-Talk-Party, die erst gute sieben Stunden
später enden sollte.

 

“Die Reggae-Szene in Italien
ist nicht toll, aber heute besser als vor zehn Jahren”, erzählt Diego.
Er begann 1990 seine DJ-Karriere, saß auch sechs Jahre für “We
an Them” am Mischpult saß. Im Radio Tandem, einem Regionalradio,
hat Diego eine wöchentliche Sendung

Im Norden Italiens geht
es so mit dem Reggae langsam aufwärts, in Rom gibt es das One Love-Soundsystem
und ganz unten im Süden das Sud Sound System. Diego und auch Robi
unterscheiden strikt zwischen einer Roots Szene und einer neu aufkommenden
Dancehall-Gemeinde. 

“Bei Reggae Festivals in Italien
kommen 20 000 Leute. Davon sind 19 000 nur für die Atmosphäre
da. Hippies mit Dreadlocks, die Joints rauchen und bei schönem Wetter
Reggae-Musik hören wollen. Wer dort auf der Bühne steht, weiß
meist niemand, interessiert aber auch keinen.”

Ganz bitter wurde es meistens,
wenn Dancehall und Ragga angesagt ist: “Damit brauchen wir den Leuten gar
nicht zu kommen. Die erste Reaktion ist doch meist `Das ist doch kein Reggae”

Für seine Dances geht
Diego einen ganz anderen weg: “Ich erwähne auf meinen Plakaten das
Wort Reggae nicht, sondern schreibe nur Dancehall. Die Hippies kommen nicht,
da sie das Wort Dancehall gar nicht definieren können. Dafür
erschienen aber immer junge Leute, die neugierig auf eine neue Musik ist.”
Außerdem sei es leichter, einen Veranstaltungsort zu finden: “Bei
Reggae gehen bei den Vermietern die Scheuklappen runter. Sie denken dann
immer an langhaarige Dope-Raucher.”

Diego gehört zu den
DJs die mit CDs auflegen. Allerdings ist er das technisch erstklassig ausgerüstet:
“Mit meinem CD Player kann ich scratcheen und auch sonst alles machen was
mit Viny möglich ist, sonst würde ich das auch nocht machen.”
Seine Vinyl Singles überspielt er auf CD, kopiert diese noch enmal
uind kann dann im Juhhling Stile loslegen

Nach einigen Prosecco im
Cafe waren wir mittlerweile in eine Pizzeria abgewandert, tranken Bier
und Wein hatten ein lecker Mittach bestellt. Das Dancehall Publikum mag
eigentlich die gleichen Sachen, die auch auf Jamaika in sind. Im März
waren das Shaggy “It Was`nt me” und die entsprechenden Versions”, der Lightning
Riddim, Thunder-Riddim und der Tixx. “Die Leute lieben Beenie Man, der
auch schon ein paar Mal in Italien gesungen hat. Schwieriger wird es bei
Capleton, da scheinen die nicht ganz drauf klar zu kommen. Zu den beliebten
alten Riddims gehören der Joyride, Ice Pick Bellyas und natürlich
der Filthy.

DJ Alpha

Der Underground Charakter der
Musik in Italien lässt sich auch leicht an den Plattenverkäufen
ablesen. “Reggae National Ticket verkauft zwar so um die 10 000 Alben,
Buju Banton dagegen so etwa 400.” Auf diese schockierende Nachricht genehmngt
wir uns erst mal ein paar komische schwarze Aperitive – oder heißen
die Aperitifs?

Die Dances in Italien laufen
ähnlich ab wie in anderen Ländern: “Ich beginnen mit älteren
Roots und frühen Dancehall Stücken. Je später der Abend,
desto mehr geht i Richtung Ragga.” Da immer mehr Leute kommen, die unvorbelastet
die Musik hören, braucht er sich keine dummen Bemerkungen den Leuten
anzuhören, die er sowieso nicht so gut abkann.

“Wenn ich mit DJ Alpha auf oder
Robi einen Spot hat, kann es sein, dass die alten Pseudo-Rasta dauern nach
oben kommen und blödes Zeug erzählen.”  Alpha und Robi spielten
bei “We and them”, die in der Region eine ziemliche Fan-Gemeinde haben.
Deren musikalischer Toleranz-Grad sei jedoch relativ gering.

 

 


DJ Diego
In äußerst angeheiterter
Stimmung machten wir uns dann auf zu Radio Tandem den Weg nach Bozen. In
einem kleinen Studio, in dem gerade genug Platz für Diego, Silke,
Robi mich und drei Flaschen Prosecco war, haben wir eine ziemlich geile
Partie gefeiert. 

Ich habe natürlich
eine Menge Reklame für Rootz gemacht, schließlich wird in Südtirol
fast nur deutsch gesprochen. Ich spare es mir jetzt, die Playlist abzuschreiben.

Die Findet ihr hier

 

Diego ist durchaus interessiert,
andere Systems einzuladen, wenn er seine eigene Serie erst einmal etabliert
hat. Vielleicht gibt das ja eine deutsch-italienische Reggae-Freundschaft.
Wäre ja keine schlechte Idee.


Copyright Text / Photos:
Ralf Weihrauch / Layout:  Dr. Igüz 1998 – 2001
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